Nur eine Nacht voll Zärtlichkeit
Stuhl mit geleimter Lehne. War denn noch nie jemand nett zu dieser Frau gewesen? Er hätte sich zusammenreißen sollen, als ihm die Idee gekommen war.
Trent schloss den Kühlschrank und griff nach der Tasse Kaffee, die er sich gerade eingeschenkt hatte. Er hatte geglaubt, Hunger zu haben, aber der erneute Anblick des ganzen Essens hatte ihm den Appetit verdorben. Er schwor sich, auf weitere großzügige Gesten in Zukunft zu verzichten, damit auch derart seltsame Dankbarkeitsbezeugungen künftig ausblieben.
Gerade als er mit seinem Kaffee fertig war, klopfte Annie an der Tür. Hoffentlich hat sie keinen Blumenstrauß dabei oder so etwas, dachte er. Aber sie trug nur ihre Reinigungsausrüstung. Als er ihr etwas von der Last abnahm, schenkte sie ihm ein kleines Lächeln, das die Grübchen in ihren Wangen zeigte. Er hasste es, dass sein Herz jedes Mal einen Satz machte, wenn sie ihn so ansah.
Er gab sich jede Mühe, sie nicht attraktiv zu finden. Aber er tat es trotzdem. Er wollte sie auch nicht besonders mögen. Aber er tat es dennoch. Verflucht!
“Guten Morgen”, sagte sie.
Er nickte und riss seinen Blick von ihrem Mund los. “Ich dachte, ich könnte heute diesen Küchenschrank über Ihrer Spüle reparieren. Die Tür schließt nicht richtig.”
Sie lächelte erneut und wieder etwas verlegen. “Sie glauben nicht, wie oft ich mir schon den Kopf daran gestoßen habe. Ich dachte schon, dass ich eine permanente Beule auf meiner Stirn bekomme.”
Automatisch blickte er auf ihre Stirn, die aber glatt und makellos war.
“Irgendwas Bestimmtes, was ich hier heute tun soll?”, fragte sie und wirkte plötzlich unsicher, als hätte seine Anspannung auf sie abgefärbt.
Er schüttelte den Kopf. “Ich bin schon weg”, murmelte er und verließ eilig das Haus, ehe er Gefahr lief, sich zum Narren zu machen.
Als Trent kurz darauf ihr Haus betrat und den blumig zitronigen Duft einatmete, den er inzwischen so sehr mit Annie verband, fiel ihm ein, dass der Monat vorbei war, den er ihr für dieses merkwürdige Tauschgeschäft zugestanden hatte. Er hatte viel geschafft, und eigentlich könnte er guten Gewissens aufhören. Natürlich war es angenehm, immer ein sauberes Haus zu haben, die Wäsche gewaschen zu bekommen … Und ihr Haus konnte zweifellos noch einige Reparaturen gebrauchen.
Vielleicht gab er ihr noch ein paar Wochen. Danach war es aber bestimmt besser, wenn alles wieder so wurde wie vorher.
“Das war sehr gut, Sam”, sagte Annie zu dem sechsjährigen Jungen, der neben ihr am Klavier saß. “Du hast viel Talent.”
Der Junge freute sich. “Ich mag Musik.”
“Und du möchtest gern lernen, Klavier zu spielen?”
Er nickte begeistert. “Ich möchte spielen können wie John Tesh.”
Seine Stiefmutter, Jamie McBride, kam in diesem Moment herein. Sie lachte und legte eine Hand auf Sams Schulter. “Sammy ist der Einzige in seiner Klasse, der lieber John Tesh hört als die aktuellen Charts. Er hat ihn letztes Jahr im Fernsehen gesehen, und seitdem sitzt er immer wieder am Klavier. Wir haben versucht, einen Lehrer zu finden, aber die paar, die es hier gibt, sind ausgebucht. Oder sie halten ihn für zu jung.”
“Oh, das glaube ich nicht”, sagte Annie und lächelte den Jungen an. “Ich denke, wenn er will, kann er es auch. Aber das bedeutet, dass er täglich mindestens zwanzig Minuten üben muss, und später sogar noch länger. Möchtest du das, Sam?”
Er nickte eifrig. “Ich werde jeden Tag eine ganze Stunde üben!”
Annie lachte leise. “Irgendwann wirst du vermutlich so viel spielen, aber du musst dich ja nicht gleich am Anfang verausgaben. Möchtest du deiner Mutter etwas vorspielen?”
Jamie zog die Augenbrauen hoch. “Kann er denn schon etwas spielen nach der ersten Stunde?”
Sam strahlte. “Ich kann schon zwei Melodien. Willst du sie hören?”
“Natürlich!”
Er biss sich vor Konzentration auf die Unterlippe, während er die Finger der rechten Hand auf den Tasten positionierte. Dann sah er fragend zu Annie, die ihm zunickte, holte Luft und spielte die einfachen Melodien, die Annie ihm in der vergangenen Stunde beigebracht hatte.
Jamie klatschte begeistert, als er geendet hatte. “Sam, das war großartig! Ich kann es gar nicht erwarten, Dads Gesicht zu sehen, wenn er dich hört. Wer hätte das gedacht, nach nur einer Stunde!”
“Es war gar nicht so schwer”, sagte er offen.
Lachend zauste Jamie ihm die blonden Haare. “Ach, erzähl mir doch nichts. Ich bestehe darauf, dass ich
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