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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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sie nur daran dachte, wie Hector ohne jede Gehässigkeit so viel Spott in das Wort »australisch« hatte legen können.
     
    Es war ein Schock für sie gewesen, als sie ihren zukünftigen Schwiegervater zum ersten Mal traf. Er war gerade erst fünfzig geworden, doch seine Haut, sein Körper, seine Haltung entsprachen der eines alten Mannes, der im Sterben lag. Seine Leber ist im Arsch, hatte Gary sie gewarnt, aber das hätte sie auch so erkannt. Seine Haut war leichengrau, und an den Armen hatte er rötliche wunde Stellen. Er war ständig am Keuchen, und alle paar Minuten krümmte er sich vor schmerzhaftem Husten, um gleich darauf dicken, glibbrigen Schleim auf den Boden oder in ein Taschentuch zu spucken. Trotzdem hatte er immer eine Zigarette in der Hand. Daraufhin hatte Rosie aufgehört zu rauchen. Das war es, was Zigaretten und Alkohol mit einem machten. Sie brachten einen buchstäblich um. Der Körper rächte sich für das Gift, das ihm zugeführt wurde, und man starb einen würdelosen Tod. Garys Mutter, damals erst achtundvierzig, war schwer übergewichtig. Ihre knollige Säufernase war von roten Äderchen durchzogen. In ihren Mundwinkeln hatten sich tiefe Furchen gebildet. Und auch Garys Schwester, die ebenfalls zu Besuch gewesen war, hielt in der einen Hand ständig eine Kippe und in der anderen ein Bier.
    Sie war entsetzt gewesen – die beiden Nächte, die sie dort verbrachten, waren ihr endlos erschienen. Das Haus war winzig, ein Sozialbau am westlichen Stadtrand von Sydney, weder Stadt noch Land. Man konnte nirgends hingehen außer in den Pub um die Ecke. An beiden Abenden waren sie dort essen gegangen, und sie hatte Gary zum ersten Mal richtig trinken gesehen, wie unter Zwang, bis zur Besinnungslosigkeit. Nachts konnte sie nicht schlafen, weil er neben ihr im Bett schnarchte, furzte und laut keuchte. Es hatte ihr Angst bereitet, und als sie zurück in Melbourne waren,hatte sie sich zum ersten Mal gefragt, ob sie diesen Mann wirklich heiraten wollte.
     
    Es war eine sprichwörtlich stürmische Romanze gewesen. Er hatte ihr einen Antrag gemacht, und sie hatte ja gesagt, kaum einen Monat, nachdem sie sich kennengelernt hatten. Einer ihrer Schätze, die Hugo einmal erben würde, war ein Selbstporträt von Gary, auf einer kleinen Leinwand, kaum größer als ein Foto. Darauf die Worte: Willst du mich heiraten? Mit schwarzer Tinte quer über sein Gesicht geschrieben.
    Sie war noch nicht lange aus London zurück, als sie sich begegneten. Wie viele andere Australier auch hatte sie dort acht Jahre ihres Lebens damit vergeudet, in irgendwelchen Aushilfsjobs zu arbeiten, Partys zu feiern, auf der House-, Techno- und Rave-Welle mitzureiten und sich dummerweise in einen verheirateten Mann zu verlieben. Sie nannte es Liebe, aber ihre Gefühle für Eric waren nie leidenschaftlich gewesen. Sie waren sich beide darüber im Klaren, warum sie zusammenblieben, warum er bereit war, seine Frau zu betrügen, und warum sie sich damit zufriedengab, die Geliebte zu sein. Eric hatte ein wunderschönes junges Mädchen zum Vögeln, und sie konnte in dem wunderbaren Apartment mit Blick über Westminster wohnen, das er für sie beide gemietet hatte. Er kaufte ihr hübsche Klamotten, Marihuana, Ecstasy und Koks. Sie waren ein hübsches Paar, elegant und mondän. Eric wusste, wie ein Anzug sitzen musste. Und er war ein toller Liebhaber, bereit, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Sie genoss seine Reife, war glücklich, sich ihm zu öffnen: Daddy, willst du mich ficken? Er ging mit ihr zur Premiere von David Hares
Racing Demon
und besorgte Topplätze für Madonnas
Girlie Show
im Wembley-Stadion. Am wichtigsten aber war für sie, und das musste man ihm zugutehalten, dass er ihr nie jenes unehrenhafte Versprechen gegeben hatte, seine Frau für sie verlassen zu wollen. Es gab noch einen anderen Grund, weswegen sie so lange mit Eric zusammengeblieben war: um ihrer Mutter eins auszuwischen. Aber letzten Endes wäresie sicherlich auch dann wieder zurück nach Hause gekommen, wenn Eddie nicht angerufen hätte: »Rosie, es tut mir leid, Dad ist tot. Er hat sich aufgehängt.«
    Sie hatte geweint, als sie Eric verließ, doch sie wussten beide, dass es nicht um ihre Beziehung ging, dass sie beide nur eine Rolle in einer Seifenoper gespielt hatten, die jetzt zu Ende war. Sie ödeten sich gegenseitig an. Ganz der Gentleman organisierte er ihr das Flugticket, half ihr beim Packen, brachte sie zum Flughafen und steckte ihr mit seinem letzten Kuss eine

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