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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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schwieg die meiste Zeit über und äußerte nur gelegentlich verhaltene Zustimmung zu Shamiras Wut über die Entscheidung der Richterin. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Ihre Gedanken kreisten um Hugo. Was sollte sie ihm sagen? Dass alles seine Ordnung hatte? Dass es rechtens war, wenn jemand ihn schlug, ihm wehtat, selbst wenn er sich nicht wehren konnte? Es gab nur ein Opfer in diesem ganzen Chaos, und das war ihr Sohn. Er durfte nicht glauben, er sei schuld gewesen.
    Noch bevor Shamira den Wagen richtig geparkt hatte, riss Rosie die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Sie rannte zur Haustür und hörte Garys schnelle Schritte hinter sich. Sie musste als Erste bei Hugo sein. Sie schloss die Tür auf und stürmte ins Haus. Connieund Hugo waren in der Küche, Papier, Bunt- und Filzstifte lagen auf dem Tisch. Connies Augen leuchteten erwartungsvoll auf.
    Rosie hörte ihren Mann durch den Flur stampfen. Sie nahm Hugo in die Arme und küsste ihn. »Es ist vorbei, Liebling«, flüsterte sie und küsste ihn wieder. »Der schreckliche Mann, der dich geschlagen hat, wurde bestraft und muss ins Gefängnis. Er wird so etwas nie wieder tun.«
    Sie fuhr herum. Gary stand in der Tür und starrte sie mit offenem Mund an.
    »Das stimmt doch, Daddy«, sagte sie. »Der böse Mann wurde bestraft, nicht wahr?« Oh, bitte, er musste das verstehen. Er musste verstehen, dass sie das für ihren Sohn tat.
    Gary trat einen Schritt vor, und sie duckte sich, aus Angst, er könne sie schlagen. Stattdessen ließ er sich auf einen Stuhl fallen und nickte langsam. »Das stimmt, Huges. Der böse Mann wurde bestraft.« Er klang niedergeschlagen.
    Sie wollte allein sein mit ihrem Sohn. Sie wollte Connie nichts erklären müssen, wollte nicht länger Shamiras tröstende Worte hören, wollte weder, dass ihr Mann ihr Vorwürfe machte, noch dass er sich geschlagen gab. Alles, was sie wollte, war, mit ihrem Sohn zusammen zu sein. Sie ging mit Hugo nach draußen und legte sich ins Gras. Und dann erzählte sie ihm die Geschichte, die sie ihm schon so lange hatte erzählen wollen. Sie schilderte ihm, wie der nette Polizist, der an jenem Abend zu ihnen nach Hause gekommen war, dem Gericht erklärte, was passiert war. »Du hättest ihn hören sollen. Der Saal war randvoll mit Menschen, und alle waren sie schockiert, sie konnten es nicht glauben, richtig entsetzt waren sie.« Sie erzählte ihm, wie die Richterin aufstand und auf den schrecklichen Mann zeigte, der ihm wehgetan hatte. »Und weißt du, was sie zu ihm gesagt hat?« Hugo lächelte sie an und nickte.
    »Dass niemand ein Kind schlagen darf?«
    »Richtig, mein Schatz, genau das hat sie gesagt.«
    »Und muss er jetzt ins Gefängnis?«
    »Ja, der böse Mann muss ins Gefängnis.« Hugo griff nach einemGrasbüschel und rupfte es aus der trockenen Erde. Er sah zu ihr hoch. »Wird Adam böse auf mich sein, weil sein Onkel wegen mir ins Gefängnis muss?«
    »Aber nein, Liebling, natürlich nicht. Niemand ist böse auf dich. Niemand.«
    Hugo berührte ihre Brüste. »Kann ich Busen haben?«
    Sie zögerte. »Hugo«, sagte sie, »nächstes Jahr kommst du in den Kindergarten. Du weißt, dass du dann keinen Busen mehr haben kannst.«
    Der Junge nickte, dann hellte sich sein Gesicht auf, und er fasste wieder an ihre Brust. »Kann ich jetzt Busen haben?«
    »Ja«, sie lachte und küsste ihn. Sie lagen im Gras, Hugo quer über ihr. Sie hörte die Tür schlagen. Gary stand über ihnen.
    »Shamira bringt Connie nach Hause.«
    Sie nickte. Sie hatte keine Lust zu reden.
    »Ich geh in die Kneipe.«
    Natürlich.
    Sie schloss die Augen. Sie spürte die Sonne auf der Haut, das Ziehen an ihrer Brustwarze. Als die Tür ins Schloss fiel, atmete sie erleichtert auf.
    Zum Abendessen war er noch nicht zurück. Sie hatte das Telefon ausgesteckt und das Handy lautlos gestellt. Nach all den Anrufen am Nachmittag hatte sie allmählich das Gefühl, verrückt zu werden. Shamira hatte eine Nachricht hinterlassen, dann Aisha, dann Anouk, dann wieder Shamira. Connie hatte auch angerufen. Während sie zum soundsovielten Mal die DVD von den Wiggles sahen, hatte es irgendwann an der Tür geklopft. Sie hatte den Finger auf die Lippen gelegt. Psst, hatte sie geflüstert, wir tun so, als seien wir nicht da. Er hatte es ihr nachgemacht. Psst, hatte er gezischt. Dann war er plötzlich aufgesprungen.
    »Was, wenn es Richie ist?«
    »Richie ist in der Schule.«
    »Können wir Richie anrufen und ihm sagen, dass der böse Mann im Gefängnis

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