Nur eine Ohrfeige (German Edition)
gehen und ihm einen zu blasen. Würde er sie dann lieber mögen?
Bilal wies auf einen Stuhl, und Rosie setzte sich ihm gegenüber. Er zeigte auf seine Zigarettenpackung. Rosie bediente sich mit zitternder Hand und ließ sich von ihm Feuer geben.
»Ich werde dir jetzt etwas sagen, und ich möchte, dass du mich ausreden lässt und mich nicht unterbrichst. Okay?«
Sie nickte. Sie fühlte sich gehemmt und kam sich lächerlich dabei vor.
»Das war das erste Mal seit langer Zeit, dass ich eine Kneipe betreten habe.« Seine Stimme klang merkwürdig, als überraschten ihn seine eigenen Worte. »Ich weiß nicht, warum ich mich jemals an solchen Orten aufgehalten habe. Sie sind schmutzig und verdorben.« Er kniff die Augen zusammen.
Sie durfte nicht wegsehen, sie durfte keine Angst vor ihm haben.
»Ich will weder dich noch deinen Mann noch deinen Sohn in meinem Leben. Ihr erinnert mich an eine Zeit, mit der ich nichts mehr zu tun haben will. Ich will nicht, dass du mit meiner Frau redest, ich will nicht, dass du mit ihr befreundet bist. Ich will ein guter Mensch sein und ich will meine Familie beschützen. Ich glaube nicht, dass du ein guter Mensch bist, Rosie. Tut mir leid, es sind einfach die Leute, mit denen du zu tun hast. Sammi und ich, wir sind euch entkommen. Verstehst du das? Versprichst du mir, dass du meine Frau nicht mehr anrufst und dich nicht mehr mit ihr triffst? Ich will, dass du mir versprichst, meine Familie in Ruhe zu lassen.«
Sie empfand nichts. Nein, das stimmte nicht ganz. Sie war erleichtert. Sie hatte es immer geahnt: Er misstraute ihr. Er kannte sie zu gut.
»Ja«, antwortete sie. »Ich verspreche es.«
»Gut. Ich bringe dir morgen früh dein Auto. Den Schlüssel schmeiße ich in den Briefkasten.« Bilal drückte die Zigarette aus, nahm seine Schlüssel und ging ohne ein weiteres Wort aus dem Haus. Sie blieb lange Zeit so sitzen. Dann ging sie zum Kühlschrank, holte die Weinflasche heraus und goss sich noch ein Glas ein.
Sie war ein Flittchen. Seit ihr Vater sie verlassen hatte und sie das Haus verloren hatten. Damals war sie sechzehn. Die Mädchen in der Schule hatten irgendwann nicht mehr mit ihr geredet – nicht alle auf einmal, vielleicht nicht mal absichtlich, sie luden sie einfachnicht mehr ein, und keine ihrer Freundinnen aus der Schule kam sie in der neuen Wohnung besuchen. Sie behaupteten, es sei zu weit weg. Damals hatte sie gelernt, dass Geld alles war.
Sie rächte sich an ihnen, indem sie mit ihren Freunden und Brüdern schlief. Sogar mit ihren Vätern ging sie ins Bett. An der neuen Schule, der staatlichen, ging es so weiter, sie schnappte sich einen nach dem anderen. Einmal hatte sie sich von sieben Jungs gleichzeitig vögeln lassen, immer abwechselnd, bis sie wund gewesen war. Bald wusste es jeder: Die Neue war ein Flittchen.
Nur Aisha hatte sie beschützt. Sie hätte sich so sehr gewünscht, dass Aisha ihren Bruder heiratet – aber Aisha war natürlich zu gut für Eddie. Sie beschützte sie und machte sie mit Anouk bekannt. Rosie hatte zu ihnen aufgesehen, sie hatten ihr ein Bild von einem Leben jenseits von Perth vermittelt, jenseits der Wüste und des Ozeans, sie hatten sie ermutigt zu fliehen. Ihnen zeigte sie nie, wer sie war. Sie verbarg ihr wahres Ich vor ihnen. Dann zogen sie beide weg, nach Melbourne, und sie war wieder allein. Sie lernte Qui kennen, ihren Businessman-Lover aus Hongkong. Er war damals erst fünfunddreißig, aber in ihren Augen fast schon ein alter Mann. Qui hatte sich um sie gekümmert, er war der Erste, der ihr Geschenke machte. Doch dann verließ er sie. Ohne ein Wort. Sie hatte weder Adresse noch Telefonnummer von ihm, sie wusste nicht mal seinen Nachnamen. Als er kein Interesse mehr an ihr hatte, verschwand er. Qui wusste, wer sie war – er hatte sie durchschaut. Die Menschen, die ihr heute wichtig waren, hatten keine Ahnung von diesem Teil ihrer Vergangenheit. Aisha nicht, Gary nicht und auch Anouk nicht. Hugo würde nie davon erfahren. Sie war genau das, was Bilal von ihr dachte. Er wusste es, genau wie ihre Mutter. Du bist verdorben, Rosalind. Du bist Abschaum, Rosalind, der letzte Dreck. Du bist ein Flittchen.
Nein. Sie war eine Mutter. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie von ihrem Stuhl hochkam. Sie wankte durch den Flur, stieß die Schlafzimmertür auf und ließ sich neben Hugo aufs Bett fallen, der weinend aufgewacht war. Sie kuschelte sich eng an ihn heran,bis sie das Gefühl hatte, eins mit ihm zu sein. »Alles ist gut,
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