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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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ist?«
    »Wir rufen ihn morgen an.«
    Er brauchte unbedingt einen Bruder, ein Geschwister. Es war Zeit, nochmal mit Gary zu reden. Sie hatten es zu lange vor sich hergeschoben. In den letzten Monaten hatte sie an nichts anderes als an diese verdammte Gerichtsverhandlung denken können. Na ja, das war jetzt vorbei, das Leben ging weiter, sie durfte sich nicht unterkriegen lassen. Ihr Vierzigster stand nächstes Jahr an, bald würde sie zu alt sein. Sie war bereit für ein zweites Kind, wie schön wäre es, nochmal schwanger zu sein. Heute Abend konnten sie nicht mehr darüber sprechen, er würde zu betrunken sein. Am Wochenende würden sie über alles reden, auf welche Schule Hugo kommen sollte, vielleicht auch über ihre Idee, ein Haus zu kaufen. Und scheiß drauf, wenn er nicht wollte, konnte sie immer noch ein Loch ins Kondom machen. Er würde es nicht merken. Sah er denn nicht, wie sehr sein Sohn sich ein Geschwister wünschte, wie sehr er sich danach sehnte, mit anderen Kindern zu spielen?
    Gegen zehn war Gary noch immer nicht zurück. Sie war bei ihrem dritten Glas Weißwein und hatte eine halbe Valium genommen, die sie im Badezimmerschrank gefunden hatte. Trotzdem konnte sie nicht schlafen. Unter der Woche blieb er sonst nie so lange weg. Sein Handy hatte er dagelassen, war also nicht erreichbar. Sie versuchte, neben Hugo einzuschlafen, aber es ging nicht. Die ganze Zeit musste sie daran denken, er könne sich etwas antun. Sie konnte nicht still sitzen, lief in der Küche auf und ab und starrte auf die Uhr. Um halb elf hielt sie es nicht mehr aus. Ihre Hand zitterte, als sie die Nummer wählte. Shamira ging beim dritten Klingeln dran.
    »Rosie, was ist?«
    Sie war völlig aufgelöst, alles, was sie hervorbrachte, war ein lautes, krampfhaftes Schluchzen. Sie hörte Shamiras panische Fragen und dann im Hintergrund Bilal, der wissen wollte, was los war.
    Nachdem sie ein paarmal tief Luft geholt hatte, konnte sie wieder sprechen. »Ich weiß nicht, wo Gary ist. Ich habe solche Angst.«
    »Willst du vorbeikommen?« Sie hörte, wie Bilal kurz protestierteund dann von Shamira zurechtgewiesen wurde. »Komm her. Jetzt gleich.«
    Auf dem Weg zum Auto fing Hugo an zu wimmern, schlief aber gleich wieder ein, sobald er auf dem Kindersitz festgeschnallt war. Sie konnte nicht sagen, wie sie es bis zu Shamiras Haustür schaffte. Sie fühlte sich betrunken und high und konnte durch die Tränen kaum etwas sehen.
    Shamira nahm ihr Hugo ab und legte ihn neben Ibby ins Bett.
    Bilal saß in Kapuzenpullover und Jogginghose am Tisch und trank Tee.
    »Ich habe Angst, dass er sich etwas antut.«
    »Weißt du, wo er ist?«
    Rosie schüttelte den Kopf. »Er sagte, er wollte in die Kneipe.«
    »Welche Kneipe?«
    Bilal klang schroff und kurz angebunden. Statt zu antworten, konnte sie nur auf ihre Füße blicken. Sie brauchte neue Schuhe. Die Nähte waren durchgescheuert und platzten allmählich auf. Sie hatte keine Ahnung, wo ihr Mann war, in welche Kneipen er normalerweise ging. Das war sein Leben, es hatte mit ihrem und Hugos nichts zu tun. Sie wollte gar nicht wissen, was er machte und mit was für Leuten er zu tun hatte, wenn er betrunken war.
    »Ich weiß es nicht.«
    Bilal trank seinen Tee aus und sagte: »Ich geh ihn suchen.«
    Rosie bemerkte, wie die beiden Blicke austauschten. Aus Shamiras Augen sprach die pure Dankbarkeit.
    Mit wackeligen Knien raffte sie sich hoch. »Ich komm mit.«
    »Nein.«
    Sie löste sich von Shamira und folgte Bilal durch den Flur.
    »Bilal findet ihn schon«, rief Shamira.
    »Nein, ich geh mit.« Er war ihr Mann. Sie musste mit.
    Als Erstes fuhren sie ins
Clifton
, aber es war schon geschlossen. Daraufhin versuchten sie es im
Terminus
und im
Irish Pub
in der Queens Parade und fuhren dann weiter nach Collingwood. Schließlich fanden sie ihn in einem Pub in der Johnston Street, ersaß ganz hinten, an einem Tisch mit drei anderen Männern. Zwei von ihnen waren Aborigines. Sie war froh, dass Bilal bei ihr war. Er würde wissen, was zu tun war. Er konnte sie beschützen.
    Gary war so besoffen, dass er die Augen zusammenkneifen musste, um sie zu erkennen. Prustend vor Lachen wandte er sich an einen der Männer, ein Koloss mit muskulösen Oberarmen, aber einem gewaltigen Bauch und Fettpolstern überall sonst, dessen rundes Mondgesicht und rasierter Schädel die Farbe von Dunkelbier hatten. Seine Haut war ledern und böse zugerichtet. Ein Augenlid hing halb runter und war blau angeschwollen. Gary zeigte auf

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