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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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auch Paraskevi stammt. Geld haben sie keins, aber wer von uns hat dasschon? Sie hat hier niemanden außer einem Cousin, ein guter Kerl, ziemlich konservativ, aber keiner von diesen Fanatikern. Man kann mit ihm reden. Koula lebt bei ihm und seiner Frau in Richmond.« Dann grinste Thimios vielsagend. »Nimmst du sie?«
    Hatte er ihm direkt geantwortet, an jenem Morgen in der Fabrik? Alt zu werden war etwas Furchtbares. Es gab Ereignisse in der fernen Vergangenheit, die er deutlich vor Augen hatte, an die er sich viel lebhafter erinnerte als an andere, die erst vor ein paar Wochen stattgefunden hatten. Er sah Koula singen, Thimios Gitarre spielen, erinnerte sich an die hohe verzierte Decke in Thimios’ und Paraskevis Haus, aber was er seinem Freund an jenem Tag geantwortet hatte, das wusste er nicht mehr. Hatte er da schon beschlossen, Koula einen Antrag zu machen? War es ein paar Tage danach oder erst Wochen später gewesen? Monate? Es half nichts, sein Gedächtnis reichte nicht so weit zurück. Egal, irgendwann nach diesem Gespräch war Manolis mit Thimios zu Koulas Cousin gegangen und hatte um ihre Hand angehalten.
    Offenbar hatte sie ähnlichen Erinnerungen nachgehangen. »Bei Thimios und Paraskevi haben wir uns kennengelernt.«
    Manolis nickte und sah sie an. Ihre Pausbacken hingen etwas herunter, ein paar Tränen tropften auf die Zeitung. Er beugte sich vor und nahm ihre Hand. Sie lächelte ihn an, sagte, sie sei eine törichte alte Frau, aber seine Hand ließ sie nicht los. Altwerden war lästig, eine Qual, ja, doch es brachte auch Gutes mit sich. Manolis bezweifelte, dass es auch nur einen Tag in seinen Vierzigern und einem Großteil seiner Fünfziger gegeben hatte, an dem er nicht bereut hatte, geheiratet zu haben, an dem er nicht die schreckliche Last verflucht hatte, die es bedeutete, Frau und Familie zu haben. Aber das Alter beschwichtigte auch die Träume, es milderte das Verlangen, selbst die wildesten Lüste und Fantasien. Ihm war inzwischen klar, dass Koula eine gute Ehefrau war. Sie war charakterfest. Wie viele Männer konnten das von ihren Frauen behaupten?
    »Wir müssen zur Beerdigung.«
    Koula nickte energisch. Der Kaffee war jetzt kühl genug, sie nahm einen Schluck. »Man hatte doch immer etwas zu lachen mit ihm.«
    Manolis grinste. »Er war ein lustiger Kerl.«
    »Es wäre schön, Paraskevi zu sehen.«
    »Ja, ihr beiden wart wie Schwestern.«
    Koula schnaubte verächtlich. »Mehr als Schwestern. Meine Schwestern haben mich vergessen.«
    Manolis ging nicht darauf ein. Er war nicht in der Stimmung, sich diesen Unsinn anzuhören. Natürlich hatte ihre Familie sie nicht vergessen. Sie waren nun mal viel zu weit weg und hatten alles Mögliche durchlebt – Ehe, Arbeit, Kinder, Enkel, Tod und Verlust, Dinge, die sie nicht mit ihr hatten teilen können. Ozeane, ein halber Erdball, trennten sie. Das war Schicksal. Niemandem war ein Vorwurf zu machen.
    »Keiner von ihnen kommt auf die Idee, mich anzurufen.«
    »Maria hat an Adams Namenstag angerufen.«
    Kouloa schnaubte erneut. »Komm mir bloß nicht damit. Sie hat angerufen, um mir von ihrem Urlaub in der Türkei und in Bulgarien vorzuschwärmen. Sie wollte nur damit prahlen, wie europäisch und kultiviert sie jetzt sei.« Koula trank ihren Kaffee aus und knallte die Tasse auf den Tisch. »Sollen sie doch alle zur Hölle fahren.«
    »Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir sie besuchen.«
    »Wir? Mein Lieber, du spinnst. Die sollen gefälligst herkommen. Ich lebe seit über vierzig Jahren in diesem gottverlassenen Land, und nicht einer von diesen Schwachköpfen hat sich die Mühe gemacht, mich besuchen zu kommen. Nicht einer war hier, um ihren Bruder zu begraben. Warum sollten wir dort hinfahren? Warum sollten wir uns die Mühe machen?« Koula schüttelte den Kopf. »Nein, Manoli, ich rühr mich nicht vom Fleck. Wer soll auf unsere Enkel aufpassen?«
    Er merkte, dass er allmählich wütend wurde, und sah rüber in den Garten. Es war an der Zeit, die Bohnen zu pflanzen. Der Gedanke an die Natur beruhigte ihn.
    Aber Koula war zu berauscht von ihrem verletzten Stolz und ihrer Selbstgerechtigkeit, um das Thema fallenzulassen. »Wer kümmert sich um die Kleinen?«, wiederholte sie.
    »Ihre Eltern.« Er klang gereizt und war froh, als plötzlich das Telefon klingelte. Er hatte keine Lust zu streiten. Koula ging ins Haus, und Manolis nutzte die Gelegenheit und machte sich an die Gartenarbeit. Er stöhnte, als er sich von seinem Stuhl erhob. Ihr verdammten

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