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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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Krieges Hund essen?«
    Thanassis nickte langsam in Athenas Richtung. »Und nicht nur Hund.« Er machte ein würgendes Geräusch, das allgemeines Entsetzen hervorrief. »Manchmal wache ich immer noch mit diesem scheußlichen Geschmack von Schlange im Mund auf.« Er wandte sich an die Frauen auf dem Sofa. »Vietnam ist ein fantastisches Land. Wunderschön. Zehn Tage lang habe ich wie ein König gelebt. Alles ist billig. Natürlich gibt es Armut dort. Aber die Menschen sind stolz. Ich bin in ein paar von diesen Löchern gestiegen, in denen sie sich vor den Amerikanern versteckt haben. Die haben wie die Ratten gelebt. Und man sieht immer noch, wo die verfluchten Amis sie bombardiert, wo sie ganze Dörfer und Städte zerstört haben. Die haben den armen Schweinen ganz schön zugesetzt.«
    Paraskevi murrte. »Und wen haben die Amerikaner nicht zerstört? Sieh dir doch an, was sie im Nahen Osten veranstalten. Genau dasselbe.«
    »Sicher, sicher«, erwiderte Thanassis. »Aber die Vietnamesen haben sie besiegt, weil sie vereint waren. Nicht so wie die beknackten Araber – die Engländer haben sie vor über hundert Jahren gegeneinander aufgebracht, und die sind zu dämlich, das zu kapieren. Vereint würden sie die Welt erobern.«
    »Bullshit«, sagte Sotiris und fuhr dann auf Griechisch fort. »Die USA werden nicht zulassen, dass irgendjemand außer ihnen selbst die Welt erobert. Vorher jagen sie uns alle in die Luft.«
    »Daran ist dieses Arschloch Gorbatschow schuld.« Thanassis beugte sich aufgeregt nach vorn. Er holte eine Zigarette aus seiner Hemdtasche.
    Paraskevi hob die Hand. »Draußen.«
    »Sofort.« Thanassis rollte die Zigarette zwischen den Fingern. »Hätte dieser Idiot nicht die Sowjetunion aufgelöst, dann würde jetzt jemand den Amis die Stirn bieten.«
    Emmanuel lachte. »Nun mal halblang, Thanassis, das ist dochSchnee von vorgestern, wir sind doch nicht mehr bei Homer und Troja. Nein, lass gut sein, die Amerikaner haben überall das Sagen.«
    »Sie zerstören alles.« Paraskevi löste ihren Schleier und ließ die Haare auf die Schultern fallen. »Und niemand traut sich, etwas dagegen zu unternehmen.«
    Emmanuel schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht, dieser Bursche, dieser Araber, hat immerhin New York angegriffen.«
    »Und das hat er gut gemacht.«
    Katina runzelte die Stirn. »Paraskevi, du hast gerade deinen Mann verloren. Denk doch mal an all die trauernden Witwen in New York.«
    Paraskevi gab ein lautes, schmatzendes Geräusch von sich. »Katina, meinst du das ernst? Bei all dem Leid auf der Welt soll ich mir Sorgen um die Amerikaner machen?« Daraufhin brachen alle in Gelächter aus.
    So ging es weiter, man diskutierte, geriet in Streit, und die Steifheit, die gewollte Höflichkeit fiel nach und nach weg. Athena brachte weitere Getränke, und Manolis blieb bei Whisky. Koula schnalzte mit der Zunge und suchte seinen Blick, aber er ignorierte sie. Nach der Politik drehte sich das Gespräch irgendwann wieder um das eigene Leben, diesmal jedoch offener als zu Beginn. Der Alkohol hatte die Zungen gelöst, aber auch ihre Reise in die Vergangenheit trug dazu bei: Sie erinnerten sich an ihre so außergewöhnliche, so hoch geschätzte Freundschaft, und erst jetzt, wo sie gemeinsam um ihren Freund trauerten, konnten sie sich eingestehen, wie sehr sie sie vermisst hatten. Wieder ging es um Kinder und Enkelkinder, so wie immer bei Leuten ihres Alters, räumte Manolis ein, aber jetzt gestanden sich die Männer ihre Enttäuschung und ihr Versagen ein. Es wurde von Scheidungen berichtet, über die Kinder geschimpft, wie faul sie seien, wie egoistisch der eine, wie dumm die andere. Dass sie sich den falschen Partner, den falschen Job, das falsche Leben ausgesucht hätten. Respektlosigkeit war ein allgemeines Thema, genauso wie Drogen und Alkohol. Die Frauen hörten ihnen schweigend und betroffen zu. Zuerstwollten sie nichts auf ihre Sprösslinge kommen lassen und äußerten sich lediglich, um ihre jeweiligen Ehemänner zu ermahnen. Halt den Mund, Sotiri, es ist nicht Panayiotis Schuld, dass er dieses Flittchen geheiratet hat. Mit Sammy ist alles in Ordnung, er hat nur noch nicht die Richtige gefunden. Kein Wort mehr, Manoli, Elisavet kann nichts dafür. Es war dann Sandra – natürlich, es musste ja die Australierin sein –, die dazukam, sich neben Thanassis stellte und sich am Gespräch der Männer beteiligte. Allerdings sagte sie nicht, dass sie von ihrem Kind enttäuscht sei. Sie erklärte nur, dass das Leben

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