Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Frau verlassen
. Auf einmal kam ihm der Gedanke, dass nicht Thanassis sich von ihr getrennt hatte, sondern dass es Eleni gewesen war, die den Mut gehabt hatte zu gehen. Hatte sie ihm wirklich die Kinder überlassen? Oder hatte er geschworen, ihr das Genick zu brechen, falls sie sich ihm widersetzte? Die Wahrheit würde er wohl nie erfahren, dafür war Thanassis zu eitel – er würde sich immer in ein positives Licht rücken. Manolis betrachtete seinen alten Freund, die nicht mehr allzu schlanke Taille, die zitternden, von Altersflecken übersäten, runzligen Hände und nikotinfarbenen Finger, die Speckfaltenin seinem Nacken. Thanassis war ein alter Mann, der sich einredete, ein junger Stier zu sein. Doch die Zeiten waren vorbei. In Gedanken versunken hörte Manolis nicht, was sein Freund Tasia antwortete, aber er sah die Reaktion: Athena hielt den Atem an, und Koulas Mund umspielte ein amüsiertes Grinsen. Seine Frau hatte Tasia nie gemocht.
»Das ist Gotteslästerung, Thanassi.« Tasia verschränkte die Arme und wandte züchtig die Knie von den Männern ab.
»Tasia«, Thanassis brüllte vor Lachen, »du bist genau wie meine Frau. Wenn ihr die Leute seid, die an Gott glauben, dann ist das alles, was ich über Religion wissen muss.«
Tasia konnte sich nicht mehr beherrschen. »Atheist«, fuhr sie ihn an.
Thanassis klatschte laut in die Hände, woraufhin das Gespräch der Jüngeren in der Küche verstummte.
»Bravo, Tasia, bravo. Ich bin ein Atheist und verdammt stolz darauf. Wir haben nur dieses eine Leben, du kleines Klatschweib, dieses eine und sonst keins. Dann werden wir zu Erde und von Maden gefressen. Das wars.« Er schien plötzlich verunsichert, zog eine Zigarette aus seiner Hemdtasche und murmelte, ohne sie anzusehen, eine Entschuldigung in Paraskevis Richtung.
Die alte Dame grinste. Sie hatte immer noch feuchte Augen. »Thimios war derselben Meinung. Keine Sorge, Thanassi, das verletzt mich nicht. Ich weiß nicht, was uns nach dem Tod erwartet – ich weiß nur, dass ich meinen Thimios nie wiedersehen werde.«
Thanassis stand auf und steckte sich die Zigarette in den Mund. »Ich gehe eine rauchen.«
Manolis folgte ihm, und gleich darauf auch Sotiris, der seiner Frau einen schuldbewussten Blick zuwarf.
Die Veranda hinter dem Haus war von einem brusthohen Geländer aus breiten Latten umgeben. Die Sonne war schon lange untergegangen. Die Kinder hatten den ganzen Nachmittag im Garten gespielt und sahen jetzt in einem der Zimmer eine DVD.
Thanassis zündete sich seine Zigarette an. Sotiris fragte, ob er auch eine haben dürfe.
»Du rauchst noch?«
»Ein- oder zweimal im Jahr. Irini wird den ganzen Abend auf mir rumhacken.«
»Sei froh, dass du jemanden hast, der auf dich aufpasst.«
Thanassis zog den Rauch tief ein und sah hinaus in den Garten. Dort stand mittendrin ein kräftiger Zitronenbaum. Jetzt war er kahl, aber im Frühling würde er jede Menge Früchte tragen. Manolis folgte seinem Blick. Thimios hatte immer einen grünen Daumen gehabt. Damals, als sie zusammen gewohnt hatten, hatte er Tomatenstauden gepflanzt, und die Ernte war jedes Jahr üppig ausgefallen.
Manolis betrachtete die beiden Männer, wie sie schweigend auf der Veranda standen und rauchten. War ihr letztes Zusammentreffen wirklich an dem Tag gewesen, als sie in dem billigen Bordell in der Victoria Street gelandet und so betrunken waren, dass er keinen mehr hochbekommen hatte? Am Ende hatte er der Hure an den Brüsten gesaugt, bis aus seinem halberigierten Schwanz endlich ein paar Spritzer Sperma gekommen waren. Es musste danach noch diverse Tanzabende, Hochzeiten und Taufen gegeben haben, an denen sie sich gesehen hatten, aber das war der Abend, der ihm in Erinnerung geblieben war. Er musste schmunzeln. Echte Hengste waren sie damals gewesen, selbstsicher und vor Männlichkeit strotzend,
Palikaria
. Jetzt waren sie so gut wie tot. Vielleicht hatten sie noch keine Krankheiten, aber der Tod stand vor der Tür und hatte schon seine unerbittliche Kralle nach ihnen ausgestreckt.
»Und, wie lebt es sich so als Junggeselle, Arthur? Kannst du es empfehlen?«
Erst dachten sie, Thanassis würde nicht antworten. Er starrte immer noch hinaus in die Dunkelheit. Doch dann drehte er sich um, lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer und lächelte wehmütig. »Einsam. Man ist einsam.« Er zog an seiner Zigarette. »Aberich habe mir eine Filipina angelacht. Antoinetta. Ein nettes Mädchen.«
Manolis war schockiert. Und eifersüchtig.
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