Nur eine Ohrfeige (German Edition)
mit Alexandra manchmal nicht einfach sei, insbesondere, wenn das eigene Kind schizophren war.
Keine Griechin würde so etwas jemals zugeben, sagte sich Manolis und sah Sandra zärtlich an. Griechische Frauen sind Löwenmütter, wenn ihre Kinder gelungen sind, aber wenn nicht, lassen sie sie fallen. Auf einmal herrschte Schweigen im Raum. Stavros blickte zu Boden. War es ihm peinlich? Zur Überraschung aller lachte Sandra laut auf.
»Ihr müsst mich nicht bemitleiden. Es geht ihr gut, ich bin stolz auf meine Alexandra. Wir haben eine schwere Zeit durchgemacht, sie war ständig im Krankenhaus. Aber inzwischen bekommt sie Medikamente, und wir haben eine kleine Wohnung in Elwood für sie gekauft. Es geht ihr gut. Sie malt jetzt.«
»So ist es.« Stavros lächelte seine Frau liebevoll an und nickte bekräftigend. »Ihr solltet ihre Ikonen sehen. Sie sind wunderschön.«
Tasia Maroudis, die den ganzen Nachmittag über geschwiegen hatte, stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wir haben alle unsere Last zu tragen.« Ihre Stimme hatte sich in all den Jahren nicht verändert. Leise, fast unhörbar, wie der Ruf eines kleinen, ängstlichen Vogels.
Sandras Mund verzog sich zu einer Respekt einflößenden, eisernen Grimasse. »Glaub mir, sie ist keine Last.«
»Was für Bilder malt sie denn?«
Alle drehten sich nach Athena um, die sofort rot anlief.
Sandra antwortete ihr auf Englisch. »Große Gemälde. Sie malt Frauen, alle möglichen Frauen – alte, junge, dicke, dünne, aber immerim Stil der alten orthodoxen Ikonen. Die Farben sind so voll, so kräftig, wirklich fantastisch.« Sandra sah das Mädchen an. »Interessierst du dich für Kunst?«
»Ich möchte Künstlerin werden.«
Paraskevi massierte ihrer Enkelin die Schulter. »Lass das nicht deinen Vater hören.« Sie wandte sich an ihre Freunde. »Er sagt, mit Kunst könne man kein Geld verdienen.«
»Das stimmt wohl.« Sandra zuckte mit den Schultern. »Aber deswegen malt Alexandra auch nicht.«
»Athena, hol doch mal das Bild, das du von deinem Großvater gemalt hast, das oben bei uns im Schlafzimmer hängt. Zeig es ihnen.«
Das Mädchen lief los und kam mit einer kleinen Leinwand wieder. Sie zögerte kurz, lächelte verlegen und reichte sie dann Manolis.
Er erkannte seinen Freund mit dem buschigen weißen Haar und dem dunklen faltigen Gesicht nicht wieder. Manolis hatte keine Ahnung von Kunst. Er konnte einfach nichts zu dem Bild sagen. Er reichte es an Thanassis weiter.
»Wirklich sehr gut«, behauptete Manolis.
Athena wurde wieder rot. »Es geht.«
Das Bild machte die Runde, und jeder der alten Leute gab einen bewundernden Kommentar ab. Schließlich landete es bei Paraskevi, die sich die Tränen wegwischte.
»Thimios war so stolz auf Athena.«
»Kein Wunder.« Koula lächelte das Mädchen an. »Sie ist eine wundervolle junge Frau, natürlich war er stolz auf sie.«
Athena nahm ihrer Großmutter das Bild ab und ging aus dem Zimmer.
Tasia beugte sich vor. »Habt ihr von Vicky Annastiadis’ Ältestem gehört?«
Und weiter geht das Getratsche, dachte Manolis. Tasias atemlose Stimme ließ ihn zusammenzucken. Sie mochte schüchtern sein, aber gleichzeitig war sie schon immer ein Lästermaul gewesen, dassich am Unglück anderer weidete. Er wollte sich gerade an Thanassis wenden, doch der schien sich für Tasias Geschichte zu interessieren.
»Was ist mit ihm?«
Ihre Augen glänzten. »Er ist im Gefängnis.«
»Weswegen?«
Tasia zuckte mit den Schultern. »Er ist ein Dieb. Was genau er angestellt hat, weiß ich nicht. Aber es gab ja immer Ärger mit ihm.«
Thanassis schnaubte wütend. »So ein Quatsch. Kosta war ein guter Junge. Hart im Nehmen. Man konnte sich auf ihn verlassen.«
Tasia spitzte die Lippen. »Das kann ja sein, Arthur, aber er ist trotzdem ein Dieb.«
Koula klopfte mit den Fingern auf den Couchtisch. »Toi, toi, toi, dass man das von unseren Kindern nicht behaupten kann.«
»Vielleicht weißt du es ja nur nicht.«
Sie wirbelte herum. »Was soll das heißen, Thanassi?«
»Nichts, meine Süße, nichts.« Er lachte. »Ich meine nur, was wissen wir eigentlich wirklich über unsere Kinder? Das, was sie uns erzählen. Aber erzählen sie uns auch alles?«
Tasia machte Anstalten, etwas zu sagen, hielt dann aber inne und murmelte etwas vor sich hin. Manolis war nicht sicher, ob er irgendetwas verstanden hatte, doch es war ganz offensichtlich etwas Gemeines gewesen. Manolis wusste genau, was sie hatte sagen wollen.
Deswegen hat dich auch deine
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