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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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aufstand und nach ihrer Handtasche griff, war er betrunken.
    »Paraskevi, wir müssen gehen.« Ihr Blick ließ keine Widerrede zu.
    Die alte Frau schüttelte energisch den Kopf. »Bitte bleibt – ihr dürft noch nicht gehen.« Paraskevi sah zu Manolis rüber, der mit den anderen Männern in Erinnerungen schwelgte. »Mano, sag Koula, dass du noch bleiben willst.«
    Manolis sah seine Frau an und schüttelte den Kopf. Er würde sie nicht überreden können. Koula fuhr nicht gern Auto, und schon gar nicht im Dunkeln. Sie würde ihm seine Trunkenheit sicher nicht verzeihen, wenn er sie jetzt zwang zu bleiben.
    Er stand auf. »Wir müssen gehen.«
    Zum Abschied gab es endlose Küsse, Umarmungen und Händegeschüttel. Man versprach, sich anzurufen und zu besuchen. Athena brachte sie zur Tür. Als er das Mädchen auf die Wange küsste – wie berauschend doch das Parfüm eines jungen Mädchens sein konnte, das war das Paradies, der einzige Gott, der ihn interessierte –, erinnerte er sich wieder, weswegen sie da waren. Thimios war tot. Er drückte noch einmal sein Beileid aus, aber es kam nur unzusammenhängendes Gebrabbel heraus, so betrunken und aufgewühlt war er. Athena winkte ihnen nach, und Paraskevi begleitete sie die Auffahrt hinunter. Sie hielt Koulas Hand.
    »Wir dürfen uns nicht wieder aus den Augen verlieren.«
    »Das werden wir nicht, versprochen.«
    Paraskevi ließ nicht locker. »Koula, er war mein Ein und Alles, meine Sonne am Tag, mein Mond in der Nacht. Ich habe Angst, dass ich wahnsinnig werde ohne ihn. Ich brauche dich.« Ihre letzten flehenden Worte gingen in Tränen unter. Weinend hielten sich die beiden Frauen umschlungen. Schließlich löste Paraskevi sich von Koula und küsste Manolis auf die Wange.
    »Thimios hat dich geliebt.«
    »Ich weiß.« Und ich habe ihn geliebt. Er wusste das.
    »Ihr müsst mich besuchen.«
    »Das werden wir.«
    Mit stechenden Schmerzen im Knie quälte er sich auf den Beifahrersitz. Koula justierte die Spiegel, sprach ein Gebet und startete den Motor. Stockend setzte sie den Wagen in der Einfahrt zurück und bog auf die Straße. Als Manolis sich umdrehte, sah er Paraskevi immer noch winkend langsam zum Haus zurückgehen, sie sah alt und müde aus, da draußen in der Kälte, in ihrem schwarzen Trauerkleid.
     
    Am nächsten Morgen erwachte er aus einem tiefen, friedlichen Traum. Mit einem kindlichen Lächeln öffnete er die Augen und fühlte sich jung und ausgeruht. Er wollte den Traum festhalten, ihn sich ins Bewusstsein holen, aber er entwischte ihm. Thimios war ihm erschienen, sein melodisches Lachen hatte ihn die ganze Nacht über begleitet. Paraskevi war auch darin vorgekommen, genau wie seine Frau. Koula war wieder jung gewesen, so wie sie alle. Ihre Haut war seidig, ihr Fleisch und ihre Brüste fest, so wie er sie kennengelernt hatte, als sie sein Herz und seine Lenden in Aufruhr gebracht hatte. Manolis zog die Bettdecke weg. Er trug einen Flanellpyjama und war verschwitzt. Heilige Scheiße, fluchte er. Er hatte einen Ständer, sein Schwanz ragte stocksteif aus dem Hosenschlitz seines Pyjamas. Thimio, du alter Bastard, willst du mich ein letztes Mal an meine Jugend erinnern?
    Koula stand unter der Dusche. Manolis schleppte sich den Flur entlang in die Küche. Auch wenn seine alten Knochen in der Nacht ausgeruht hatten, waren sie doch nicht auf wundersame Weise zu neuem Leben erwacht.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht bückte er sich nach seinem Ibrik und richtete sich dann zähneknirschend wieder auf. Er atmete tief aus und fing an, Kaffee zu kochen. Er sah zu, wie sich die dicken Mokkaklumpen langsam auflösten und einen dicken schwarzen Sirup bildeten. Das wohlige Gefühl aus dem Traum war noch nicht verflogen, genauso wenig wie der Schmerz darüber, dass er gestern einen guten Freund beerdigt hatte. Doch indem sein Tod ihn an ihre gemeinsame Vergangenheit erinnert hatte und außerdem an die unumstößliche Endlichkeit des Lebens, hatte er wieder Freude an der unverfälschten rauhen Realität seines eigenen Daseins gefunden. Vielleicht hatte sich sein Schwanz ein letztes Mal aufgebäumt. Dieser ordinäre körperliche Akt, dieses Fleisch und Blut, das war Leben. Thimios war tot, er selbst würde auch bald tot sein, so Gott wollte, genau wie Koula, wie Paraskevi und alle anderen. Kummer, Leid, Streitereien und Fehler der Vergangenheit waren unwichtig. Letzten Endes spielten sie keine Rolle. War esdas, was der Traum ihm sagen wollte? Manolis war froh, keine ungeklärten

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