Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Konflikte und weder Groll noch Hass mit ins Grab zu nehmen. Das hatte Thimios wohl auch nicht, es war nicht seine Art gewesen. Natürlich bereute er einiges, nur ein Vollidiot bereute nichts. Hier und da ein paar Schuldgefühle, ein wenig Scham. Aber sie hatten getan, was sie konnten, hatten ihre Kinder großgezogen, sie zur Schule geschickt, ihnen ein Heim gegeben, ihnen Sicherheit und Geborgenheit geschenkt. Sie alle hatten ihre Sache gut gemacht. Der Tod war nie willkommen, aber er kam trotzdem. Wirklich beklagen durfte man sich nur, wenn er die Jungen holte, die, die weder darauf vorbereitet waren noch es verdient hatten. Manolis sah den Schaum in seinem Ibrik aufsteigen und machte die Flamme aus.
Als er den Kaffee in die kleinen Tassen goss, kam Koula in die Küche. Überrascht, aber erfreut, zog sie den Bademantel zu und setzte sich hin.
»Wie geht es deinem Kopf?«, fragte sie lächelnd.
»Bestens«, antwortete er, ebenfalls lächelnd. »Ich vertrag noch einiges, keine Sorge. Die paar Whiskys machen mir nichts aus.«
Trotzdem dauerte es nicht lange, bis sie sich in den Haaren hatten. Es war unglaublich, wie unterschiedlich sie den vorigen Abend empfunden hatten. Als sie nach Hause gekommen waren, waren sie zu erschöpft gewesen, um zu reden. Sie hatten einen kleinen Salat und ein bisschen Brot mit Feta gegessen, waren ins Bett gegangen und sofort eingeschlafen.
»Haben wir ein Glück, oder?« Koulas Augen leuchteten. »Unsere Kinder sind so gut geraten. Es gibt nichts, wofür wir uns schämen müssten.«
Dieses Funkeln in den Augen – ja, das war tatsächlich Selbstgefälligkeit. Und Gehässigkeit? Sein innerer Frieden geriet ins Wanken. Koula schien nichts davon mitzubekommen. Sie plapperte munter weiter.
»Natürlich kann man Sandra und Stavros nicht vorwerfen, dass ihr Kind psychisch krank ist.« Koula klopfte auf Holz und ließ dieMundwinkel hängen. Gleich darauf hellte sich ihre Miene wieder auf. »Aber ihre Tochter scheint ein hoffnungsloser Fall zu sein, offenbar hat sie keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Ich würde mir die Haare raufen, wenn ich Sandra wäre. Aber vielleicht ist es ihr auch egal. Sie ist schließlich Australierin.«
»Sandra ist ein Juwel«, knurrte er. »Immer gewesen.«
»Was Thanassis angeht, er ist ein guter Kerl, aber ganz schön tief gesunken.«
Manolis schloss die Augen. Nachdem er am Tag zuvor mit großer Freude seine Vergangenheit wiederentdeckt hatte, war er der Meinung gewesen, all die belanglosen Neidgefühle und anderen Nichtigkeiten der mittleren Lebensjahre beiseiteschieben zu können. Er hatte geglaubt, für einen kurzen Moment so etwas wie eine Wahrheit, eine Chance gesehen zu haben, dass nämlich Gelassenheit und Toleranz möglich waren und man einen gewissen Frieden finden konnte – weil im Alter alle Menschen gleich waren. Nicht bei der Arbeit, nicht im Glauben, nicht in der Politik, nur im Alter. Aber dem war nicht so. Er versuchte, das Geschnatter seiner Frau auszublenden. Er wollte noch ein paar Minuten in einer Welt verweilen, die nicht von Hierarchie, Snobismus und Rachsucht bestimmt war.
»Und der arme Emmanuel. Zwei Söhne und keiner von beiden verheiratet. Er muss sich doch zu Tode schämen.«
»Wofür zum Teufel soll sich Emmanuel schämen?«
Koula verdrehte die Augen. »Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, und du verlierst schon die Beherrschung?«
Sie hatte recht. Er hielt besser den Mund und blieb friedlich. Er nippte an seinem Kaffee und ließ sie reden.
»Und die arme Tasia.«
»Was ist mit Tasia?«
Er hatte Tasia nie große Beachtung geschenkt. Daran würde sich auch nichts ändern.
»Ihr Ältester ist immer noch arbeitslos. Es ist eine Schande.«
Er unterdrückte seine Schadenfreude. Das geschah der altenTratschtante recht. Andererseits durfte er mit so etwas gar nicht erst anfangen. Schließlich kannte er den Jungen nicht. Das arme Schwein hatte bestimmt schon genug Probleme, allein, weil Tasia seine Mutter war.
»Haben wir noch
Lokum
?«
Koula runzelte die Stirn. »Du sollst nicht so viel Süßes essen.«
»Nur eins.«
Koula beugte sich nach hinten, öffnete den Schrank und holte die Schachtel raus. »Und die Jüngste, Christina, ist geschieden.«
»Elisavet ist auch geschieden.«
Koula reagierte empört. »Das ist nicht dasselbe. Christina hat nichts anbrennen lassen, unsere Tochter hat hart um ihre Ehe gekämpft. Es war nicht ihre Schuld, dass sie diesen Widerling geheiratet hat.«
Sie starrten sich
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