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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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musste. Auf einem Tisch stand ein altmodisches rotes Telefon mit Wählscheibe.
    Eine rauhe Stimme erklang aus dem Schlafzimmer am Ende des Flurs. »Wer ist da?« Es folgte ein schmerzerfüllter Hustenanfall.
    »Dimitri, es ist Manoli. Unser Manoli ist zu Besuch gekommen.« Georgia stieß die Tür auf.
    Das hier war keine Zeitreise. Die Zeit spielte ein grausames Spiel mit ihm. Dimitri lag im Bett, das Pyjamaoberteil aufgeknöpft. Er war bis auf die Knochen abgemagert, die Rippen drückten schonungslos durch die Hautfalten auf seiner Brust.
    »Du hast doch Manoli nicht vergessen, mein Dimitri?«
    Der alte Mann im Bett schien völlig perplex über Manolis’ Anwesenheit. Am Bettpfosten hing eine Atemmaske, die mit einer schmalen Gasflasche auf dem Fußboden verbunden war. Dimitris fing wieder an zu husten, sein Körper wirkte viel zu zerbrechlichfür die Spasmen, von denen er heimgesucht wurde. Georgia drängte sich an Manolis vorbei und setzte ihrem Mann die Maske auf.
    Manolis ging auf die andere Seite des Bettes und griff nach seiner schlaffen, kalten Hand. »Mitsio«, krächzte er, während die Tränen unaufhaltsam flossen. »Mitsio.« Mehr brachte er nicht hervor.
    Georgia nahm ihm die Maske ab. Seine Verunsicherung war verflogen. Er stieß ein kurzes, schwaches Lachen aus. »Mein Freund«, flüsterte er, »ich hoffe, du bist gekommen, um mir den Gnadenstoß zu geben.«
    Georgia schlug ihm auf den Arm. »Red nicht solchen Unsinn.«
    »Warum? Wer will so ein Leben? Wem nütze ich noch etwas?« Die Sätze waren von kurzen, keuchenden Atemzügen unterbrochen.
    Manolis sah zu Georgia rüber. Ihre Miene war ruhig und entschlossen.
    »Er hat Krebs«, sagte sie leise. »Lungenkrebs.« Sie beugte sich langsam runter, zog einen zusammenklappbaren Rollstuhl unter dem Bett hervor und montierte ihn fachmännisch. Die Arme um Manolis’ Hals gelegt hoben sie ihn gemeinsam aus dem Bett in den Rollstuhl. Georgia hängte ihm die Maske über die Schulter und zeigte auf die Sauerstoffflasche. Manolis nahm sie hoch und stellte fest, dass sie erstaunlich leicht war. Er folgte Georgia, die den Rollstuhl aus dem Zimmer schob. Sie kamen durch das Wohnzimmer in die Küche und dann in einen kleinen Wintergarten mit Blick auf den Garten. In der Ecke stand eine kleine Statue der Jungfrau mit Kind, davor schwamm ein angezündeter Docht in einer Schale mit Öl. Die kleine Flamme warf ein warmes, gelbes Flackern in den Raum. Georgia sicherte den Rollstuhl und bedeutete Manolis, auf dem Sofa Platz zu nehmen.
    »Ich koch uns einen Kaffee«, erklärte sie und ging zurück in die Küche. Aus Angst, etwas Falsches zu sagen, starrte Manolis auf seine Füße. Er hatte nicht mal ein Geschenk mitgebracht, er war mit leeren Händen aufgetaucht. Was für einen unzivilisierten Eindruck er machen musste. Ein schnarrendes Lachen drang aus Dimitris Kehle.
    »Komm schon.« Seine Augen funkelten. »Mach nicht so ein trauriges Gesicht. Noch bin ich nicht tot.«
    »Aber das weiß ich doch, Dimitri.«
    »Was führt dich zu uns?«
    Es lag kein Vorwurf in seiner Frage, trotzdem schämte sich Manolis. »Ich war gestern bei Thimios Karamantzis’ Beerdigung.«
    Dimitris blickte nach draußen in den kalten grauen Garten. »Ich wäre gern gekommen.« Er holte tief Luft. »Aber wie?«
    »Natürlich, natürlich.« Manolis suchte nach Worten. »Ich habe so viele Leute von früher getroffen und plötzlich schämte ich mich dafür, dass wir uns so lange nicht gesehen haben. Vergib mir, vergib mir, Dimitris.« Lieber Herr Jesus, allmächtiger Herr, Heilige Mutter Gottes, lass mich nicht wieder weinen.
    Dimitris lächelte ihn an. Er legte die Hand auf Manolis’ Knie. »Du redest wie eine Frau. Was zum Teufel soll ich dir vergeben?« Das Sprechen verursachte ihm Schmerzen, er zuckte zusammen und rang immer wieder nach Luft. »Ich muss dich um Verzeihung bitten, weil ich Koula und dich nicht besucht habe. Siehst du, jetzt sind wir quitt.« Mit sichtbarer Mühe unterdrückte er einen weiteren Hustenanfall. Vor Wut schlug er sich gegen die ausgezehrte Brust. »Das Leben vergeht zu schnell, und der verdammte Tod dauert zu lange.« Dann lächelte er wieder. »Aber du siehst gut aus, gesund. Du warst immer kräftig wie ein Stier.«
    »Es tut mir so leid wegen Giannis, ich habe auf der Beerdigung von ihm gehört.« Die Worte sprudelten aus ihm heraus, er wollte sie endlich loswerden.
    Dimitris’ Lächeln verschwand. Ihm wich alles Leben aus dem Gesicht, und er sackte in sich

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