Nur eine Ohrfeige (German Edition)
zu tun haben. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, wie sich seine Kinder dort entwickeln würden. Es ging ihm nicht ums Geld – er würde sofort das Doppelte vom Schulgeld zahlen, um mit Adam und Melissa nach Griechenland oder Indien oder um die ganze Welt zu fahren. Liebend gern täte er das für seine Kinder. Aber diese egoistische, kalte moderne Welt gefiel ihm nicht, und selbst wenn seine Wertvorstellungen veraltet und heutzutage nicht mehr relevant waren, wollte er doch trotzdem an dem, was ihm von seinen moralischen und politischen Überzeugungen geblieben war, festhalten. Ansonsten fürchtete er unterzugehen.
»Das ist deine Entscheidung«, versuchte sie ihm klarzumachen, »aber deine Kinder sollten nicht darunter leiden.«
Er stöhnte. »Sie leiden nicht, sie haben es sehr gut.« Er nahm ihre Hand. »Sie werden schon ihren Weg gehen. Du wusstest, als du mich geheiratet hast, dass ich so denke. Und ich werde mich auch nicht ändern. Ich bin kein Mann, der seine Kinder auf eine Privatschule schickt.«
Sie sah ein, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. Und obwohl es ihr vollkommen unverständlich war, da sie in einer Familie aufgewachsen war, in der Reichtum ein anzustrebendes Ziel war und über Politik nicht geredet wurde, realisierte sie, dass sie sich ihmwürde fügen müssen. Also beschloss sie zu verhandeln. »Wenn Adam oder Melissa«, fügte sie schnell hinzu, »an ihrer Schule nicht zurechtkommen, bist du dann bereit, in eine Gegend zu ziehen, in der es bessere Schulen gibt? Weg von deiner Familie, in den Osten der Stadt?«
»Ja«, antwortete er, und so lagen sie da, Mann und Frau, verhandelten und trafen eine Übereinkunft.
Dann gestand er ihr, dass er sie betrogen hatte, mit einer jungen Studentin, einer neunzehnjährigen Sozialwissenschaftsstudentin namens Angela, die ein Praktikum in seiner Abteilung gemacht hatte. Er hatte geglaubt, sich in sie verliebt zu haben. Auf dem Gipfel des Wahns hatte es sogar Momente gegeben, in denen er daran gedacht hatte, alles aufzugeben, sie, die Kinder, seine Arbeit, sein Leben, und mit dem Mädchen durchzubrennen – bis ihm bewusst wurde, dass sie tatsächlich nur ein Mädchen war. Es erschütterte ihn, wie nah er an der Katastrophe vorbeigeschlittert war. Aisha zu verlassen wäre sein Ende gewesen. Das Mädchen war reizend, intelligent, aus ihr würde eine tolle Frau werden, aber was er eigentlich von ihr gewollt hatte, war ihre Jugend, das war ihm irgendwann klar geworden. Er hatte sie begehrt, um sich weismachen zu können, er sei noch jung. Doch sie hatte ihm bewusst gemacht, dass dem nicht so war und dass er eines Tages sterben würde. Sie hatte ihm nichts bedeutet – inzwischen widerte es ihn sogar an, was er getan hatte, welches Risiko er eingegangen war. »Ich schwöre dir«, sagte er zu Aisha, »wir waren nur zweimal zusammen, und beide Male hatten wir keinen richtigen Sex.« Er schämte sich so. Seit er dem Mädchen erklärt hatte, dass es aus war, wachte er jede Nacht um 3.14 Uhr auf. Jede Nacht öffnete er die Augen, und die roten Ziffern seines Digitalweckers zeigten 3.14 Uhr an. Um Aisha nicht zu wecken, stand er dann auf und ging nackt in den Garten, wo er zitternd anfing zu weinen. Er war überzeugt davon, sterben zu müssen – sein Herz schlug so schwach und so unregelmäßig, und er bekam kaum Luft. Wenn er jetzt starb, was war sein Leben dann wert gewesen? Bei dieserFrage fing er wieder an zu schluchzen. »Ich habe Angst, Aisha, ich habe solche Angst.«
Während seines Monologes hatte sie weder Wut noch Eifersucht oder Verachtung empfunden. Sie sah ihn weinen und streckte die Hand aus, um seine Schulter zu streicheln. Sie fühlte nichts. Es kam ihr vor, als beobachtete sie ihn aus der Ferne und überprüfte dabei ihre eigene Reaktion.
Eine Neunzehnjährige?
Erst war sie schockiert gewesen, jetzt fand sie es einfach nur lächerlich. Sie war noch nicht mal eifersüchtig. Männer waren lächerlich. Sie hatte nach seiner Beichte auch keinerlei Erleichterung darüber verspürt, dass ihr eigener Seitensprung deswegen weniger ins Gewicht fiel. Im Grunde hatte sie schon seit Jahren vermutet, dass ihr Mann in der Gegend rumvögelte. Dieser Ausdruck fasste eigentlich ganz gut zusammen, wie sie über seine Affären dachte. Er hatte ein enormes sexuelles Verlangen, das sie von Anfang an eingeschüchtert hatte. Ihr war klar, dass sie, nachdem sie das Thema Monogamie nie angesprochen hatten, seine anonymen Treffen mit Huren und One-Night-Stands mit Gott
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