Nur eine Ohrfeige (German Edition)
küsste sie. Die Dämmerung flackerte bereits durch die Bambusrollläden, Vogelgezwitscher erklang, alles unbekannte Stimmen, bis auf das hämische Krähen der Hähne. Sie waren beide zu erschöpft, zu leer, um miteinander zu schlafen. Sie riefen bei der Rezeption an und bestellten das Frühstück ab, nahmen mit dem letzten Schluck Whisky jeder eine Temazepam, lagen nebeneinander, berührten sich kaum, nur an ihren Schultern, und schliefen ein. Sie wachte mittags auf, verschwitzt und mit einem schlechten Geschmack im trockenen Mund. Als sie sich umdrehte, sah sie Hector direkt in die Augen.
»Lass uns nach Amed fahren«, sagte sie.
Sie fuhren drei Stunden durch die Berge an der Ostküste entlang bis Amed. Das Apartment, das sie gebucht hatten, war erfreulicherweise genauso sauber und komfortabel wie auf den Bildern im Internet, und außerdem billig und direkt in Strandnähe. In Amed gab es nur wenige Touristen, es gab keine Geldautomaten, und jedes Mal, wenn sie durch die Hauptstraße schlenderten oder am Strand entlangliefen, wurden sie von freundlichen jungen Männern bedrängt, die wissen wollten, ob sie Hunger hatten, ob sie Lust hatten zu schnorcheln, ob sie mit dem Boot aufs Meer hinausfahren wollten. Aber trotz der aufdringlichen Verkäufer, der halbfertigen Bauten und der mangelnden Technik mochte sie Amed. Sie mochte das stille, warme Meer, den Geruch von gegrilltem Fisch am frühen Abend, den Anblick älterer, verhüllter Frauen, die ihre Ziegen und Schweine über die zerklüfteten Hügel trieben. Am ersten Abend aßen sie noch kurz etwas in einem kleinen Restaurant am Strand. Der Mond war noch nicht ganz voll, aber es sah trotzdem beeindruckend aus, wie er über dem bewegten abendlichen Meer stand.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, merkte Aisha, dass sie wieder etwas fühlte. Es war kurz vor Tagesanbruch, sie öffnete die Augen und war sofort hellwach. Sie hörte Hector leise schnarchen und wurde plötzlich von einer rasenden Eifersucht gepackt. Sie schlich aus dem Bett, zog ein T-Shirt über und setzte sich auf den Balkon. Während sie auf den Sonnenaufgang wartete, stellte sie sich vor, wie Hector mit einer anderen Frau zusammen war, bis endlich langsam die Sonne auftauchte und das Meer in Tausende von silberblau funkelnden Scherben aufsplitterte. Dutzende von Kajaks und Fischerbooten waren am Horizont verstreut, wie kleine Insekten zogen die Fischer ihre Netze ein. Als Hector dann endlich aufwachte, war er gleich in Stimmung und zeigte ihr seinen Ständer unter der Bettdecke. »Lass den Quatsch«, fuhr sie ihn an. Sofort waren sie wieder am Streiten. Beim Frühstück lasen sie die
Jakarta Post
vom Vortag und warfen sich über den Rand der Zeitung gelegentlich Blicke zu. Ein älteres Ehepaar aus Neuseelandversuchte, ein paar freundliche Worte mit ihnen zu wechseln, aber Aisha war nicht dazu aufgelegt und gab einsilbige Antworten, während Hector übertrieben höflich reagierte. Seine Heuchelei widerte sie an. Wortlos stand sie auf, griff nach ihrer Tasche und marschierte selbstbewusst und ohne sich umzudrehen zum Strand. Sie wusste, er würde ihr hinterherlaufen. Was er auch tat, wütend und mit hochrotem Kopf. Sie warf ihr Handtuch in den Sand, setzte die Sonnenbrille auf und fing an, in ihrem Buch zu lesen. Hector rannte ins Wasser.
Sie konnte sich nicht konzentrieren.
Eine Neunzehnjährige?
Er war mit einem Kind zusammen gewesen! Der Scheißkerl hatte keine Ahnung, wie sich das anfühlte. Sie sah an ihrem langgliedrigen Körper hinunter. Sie konnte sich noch so oft sagen, dass sie attraktiv war, es half nichts. Ihre Haut war glatt, sie hatte so gut wie keine Cellulite, und ihre Brüste hingen auch noch nicht. All das spielte keine Rolle. Er hätte ihr nicht sagen sollen, wie alt das Mädchen gewesen war. Sie drehte sich auf den Bauch und sah sich um. Neben ein paar Booten saßen zwei junge Balinesen und rauchten. Sie hatten schon mehrmals zu ihr rübergesehen. Der ältere hatte feine orientalische Züge, lange schwarze Haare und einen kurzen, seidigen Ziegenbart. Er trug eine cremefarbene Baumwollhose. Das Gesicht des anderen war breit und von der Sonne gebräunt. Er trug ein enganliegendes, fleckiges weißes Tanktop über der dunklen, muskulösen Brust und Jeansshorts, die bis knapp über die Knie reichten und unter denen ebenfalls wohlgeformte Waden zum Vorschein kamen. Plötzlich zwinkerte er ihr zu. Seine selbstsichere Dreistigkeit erinnerte sie an Harry. Sie sah weg und ignorierte
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