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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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Rechnung bezahlt, ihren Mann überredet aufzustehen und sich mit ihm durch die Monkey Forest Road geschleppt. Oder hatte sie ihn einfach wie ein Kind an der Hand nach Hause geführt? Später, sehr viel später, hatte sie Albträume, indenen Bilder von jenem Abend auftauchten. Sie erinnerte sich an die Straße, an den mühseligen Heimweg, die irritierten Gesichter der Straßenhändler, Taxifahrer und Touristen. Als sie dann auf ihrem Zimmer waren, saß er auf dem Bett, und sie kniete vor ihm. Er hatte die Arme um sie gelegt, immer noch in Tränen aufgelöst, er hielt sie so fest wie noch niemals zuvor, sein heißer Atem blies ihr ins Gesicht, Tränen und Speichel tropften ihr auf Hals und Schultern. Ganz allmählich kehrte ihr Zeitgefühl zurück. Hector hörte auf zu weinen, die Schluchzer kamen nur noch stoßweise. Sie spürte einen Krampf in der rechten Wade, hörte ihre Uhr ticken und irgendwo im Hotel westliche Popmusik erklingen. Sie saß auf dem Fußboden und rieb sich das Bein. Hector putzte sich die Nase und warf das durchnässte Taschentuch in die Ecke. Er rieb sich die Augen. Als er zu sprechen begann, war sie überrascht, wie gefestigt und kontrolliert seine Stimme klang.
    »Jetzt geht es mir besser.« Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Letzten Mittwoch wollte ich Melissa abholen. Dad konnte nicht – er hatte endlich einen Termin im St. Vincent’s Hospital bekommen, wegen seiner Gicht, und Mum wollte ihn begleiten. Ich hatte noch ein paar Überstunden gut, also habe ich mir frei genommen. Ich habe ein bisschen im Haus rumgewerkelt, ein paar Sachen für unsere Reise organisiert und bin dann um halb vier ins Auto gestiegen, um Melissa abzuholen.«
    Sie ließ ihn reden. Warum erzählte er ihr das? Dann fiel ihr wieder ein, dass sie vor seinem Gefühlsausbruch über Kinder gesprochen hatten, darüber, wie sie sich über die Schulkinder in Bangkok gefreut hatte.
    »In der Clarendon Street stauten sich die Autos kilometerlang. Alles Eltern, die ihre Kinder von der Schule abholen wollten. Es ging kein bisschen vorwärts. Ich stand hinter einem nagelneuen schwarzen SUV und bekam plötzlich Panik. Ich dachte, ich bekomm keine Luft mehr. Ich dachte wirklich: Gleich werd ich sterben, und das Letzte, was ich in meinem Leben sehe, ist so ein beschissener Baby-an-Bord-Aufkleber.«
    Seine Stimme hatte angefangen zu zittern. Aisha bekam Angst, er könnte wieder losweinen. Sie setzte sich zu ihm aufs Bett und versuchte, möglichst gelassen und beruhigend zu klingen.
    »Manchmal ist das so. Als hätten die Eltern sich verabredet, alle gleichzeitig vor der Schule aufzutauchen. Das ist echt nervig. Wie lange musstest du warten?«
    Er antwortete nicht. Sie strich ihm übers Haar.
    »Ich hab nicht gewartet. Ich hab gehupt, bis die Schlampe vor mir ein Stück vorgefahren ist und ich wenden konnte. Ich bin einfach abgehauen.«
    »Und was hast du mit Melissa gemacht?« Ihre Stimme klang jetzt härter und leicht nervös.
    Er fing an zu lachen. Am liebsten hätte sie ihm eine runtergehauen.
    »Was hast du mit Melissa gemacht?« Sie schrie ihn fast an.
    Von gelegentlichem hysterischem Lachen unterbrochen erzählte er weiter.
    »Ich bin nach Hause gefahren.« Lachen. »Und zurück zur Schule gelaufen.« Gekicher. »Der schwarze SUV war immer noch nicht bis zum Tor gekommen.« Große Heiterkeit. »Ich hab Melissa eingesammelt und bin mit ihr nach Hause gegangen.«
    Er lag jetzt auf dem Rücken und bog sich vor Lachen. Am besten, sie wartete, bis es vorbei war. Sie sah in den Spiegel, der gegenüber auf der Kommode stand. Sie war eine attraktive, kluge Frau. Das hatte sie nicht verdient. Nicht im Geringsten hatte sie so etwas verdient. Neben ihr auf dem Bett war es jetzt still.
    »Es tut mir leid, Aish.« Hector sprach ganz leise. Statt sich zu ihm umzudrehen, betrachtete sie weiter die selbstsichere, attraktive Frau im Spiegel.
    »Es tut mir leid«, sagte er jetzt entschlossener, fast eindringlich. »Ich kann so nicht weiterleben.«
    Sie erstarrte. Er wollte sie verlassen. Wieder betrachtete sie ihr Spiegelbild. Sie sah gut aus, sie war intelligent, hatte eine eigene Praxis. Sie war einundvierzig. Sie wollte nicht allein leben. IhreStimme schien von irgendwo anders zu kommen, von der Frau aus dem Spiegel. »Willst du die Scheidung?« Es war ein starkes Wort, und es wog unendlich schwer. Aber indem sie es aussprach, fühlte sie sich befreit, fast schwerelos.
    »Nein.« Hectors Antwort kam prompt, er schien keinen Zweifel

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