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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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begrüßte Wayan sie fröhlich lachend und führte sie an einen Tisch direkt am Wasser. Zur Feier des Vollmonds hatte Wayan seine Jeansshorts und das gefakte Mossimo-T-Shirt gegen traditionelle Festkleidung getauscht. Zwei Italiener, die an einem Tisch im Schatten einer Palme saßen, nickten ihnen zu. Sie waren jung und extrem braungebrannt, als hätten sie schon Monate unter der Sonne Asiens verbracht. Hector und sie bestellten Bier, und Aisha lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah die Sonne am Horizont untergehen.
    Es fühlte sich an wie das erste Date. Die Ereignisse der letzten Woche hatten Aisha gezwungen, ihr Leben in neuem Licht zu sehen. Ihr Mann erschien ihr zum ersten Mal in all dieser Zeit wie ein geheimnisvoller Fremder. Ihre Wut war verflogen. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, war noch da, das wusste sie, es schlummerte in ihr und wartete darauf, erneut zum Ausbruch zu kommen. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt. Sie wollte ihren Mann wiederhaben und nicht dieses verzweifelte, verletzliche Wesen, das plötzlich aus ihm geworden war. Das Mondlicht bahnte sich seinen silbernen Weg auf der immer dunkler werdenden Wasseroberfläche. Sie würde ihren Ärger für sich behalten. Sie wollte sich mit Hector vertragen, ihn zurück an Land holen. Er war zu weit abgetrieben, und wenn er unterging, war auch ihr Leben zerstört. Sie musste Geduld mit ihm haben. Als Mutter hatte sie gelernt, geduldig zu sein. Und Opfer zu bringen. Sie strahlte Hector an und nickte in Richtung der auf und ab tanzenden Wellen.
    »Ich bin froh, dass wir hierhergekommen sind.«
    Er fing an zu weinen. Sie biss sich auf die Lippen, sie wollte ihm sagen, dass er aufhören sollte, dass er kein Kind mehr war. Zum Glück flossen seine Tränen diesmal nur für kurze Zeit. Die beiden eitlen Italiener, die mit ihren Gedanken offenbar ganz woanders waren, hatten es nicht mal mitbekommen. Hector zog die Nase hoch, wischte sich die Tränen ab und nahm die Karte in die Hand. Sie sah ihn fragend an.
    »Alles in Ordnung. Ich hab dich nicht verdient.« Oh Gott, hoffentlich weinte er nicht gleich wieder. »Ich schäme mich so, Aish.«
    Sie sah ebenfalls in die Karte. Was sollte sie darauf antworten? Ihr fehlte jedes Mitgefühl für ihn. Gleichzeitig hatte sie den Eindruck, für ihn sorgen zu müssen. Ihre guten Absichten und ihre eigentliche Sehnsucht klafften auseinander, und das machte ihr zu schaffen. Hätte er sich nicht geschämt, wäre sie stocksauer gewesen. Aber sie hatte keine Lust, sich mit seinem Kummer, seinem Selbstmitleid und seinem Gefühl, versagt zu haben, auseinanderzusetzen. Sei ein Mann, dachte sie, komm klar mit deiner Midlife-Crisis – das langweilt mich. Sie ging die Gerichte durch und entschied sich für den Fisch im Bananenblatt, geräuchert mit Gewürzen aus der Nonya-Küche. Dann klappte sie die Karte zu.
    »Sobald wir zu Hause sind, ruf ich Sandi an und gratuliere ihr zu ihrer Schwangerschaft.« Bei diesen Worten hellte sich seine Miene sofort auf, seine Augen weiteten sich vor Erleichterung. Sofort bereute sie es. Jetzt aber Schluss mit den Zugeständnissen, sagte sie sich. Wieder ergriff sie eine große Unlust, eine Schwere, die sich auf Hals und Schultern legte und bis ins Mark drang. Letztlich war es das, was von der Liebe übrig blieb, wenn Lust, Ekstase und Abenteuer sich gelegt hatten. Im Grunde war es ein ständiges Verhandeln, zwei Individuen, die angesichts der vertrackten, banalen Realität ihres gemeinsamen Lebens Kompromisse eingehen mussten. So gesehen konnte sie in der Liebe so etwas wie Glück finden, ein Glück, das ihr vertraut war. Sie durfte nur nicht das Risiko eingehen, nach einem anderen, wahrscheinlich unmöglichen,höchstwahrscheinlich gar nicht vorhandenen Glück zu suchen. Dafür war sie zu müde. Und überhaupt, sagte sie sich, über Amed steht ein riesiger, goldener Mond, und ich sitze hier mit meinem wunderschönen Mann, der mich liebt und mich unterstützt und bei dem ich mich sicher fühle. Ich bin sicher, und das ist alles, was zählt, nur die Jungen und Unwissenden suchen nach etwas anderem, nur sie glauben, die Liebe habe mehr zu bieten als das.
    »Es ist wirklich toll, dass sie schwanger ist. Sie versucht es ja schon so lange.«
    »Ja, es ist großartig, oder?« Hector strahlte vor Begeisterung. »Harry hat mir an seinem Geburtstag erzählt, wenn es diesen Sommer nicht klappt, würden sie es mit künstlicher Befruchtung versuchen. Das wäre ganz schön hart für die beiden

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