Nur eine Ohrfeige (German Edition)
holte tief Luft, tauchte unter und startete einen letzten Versuch, ihm zu entkommen. Aber er war zu schnell und viel stärker als sie. Er holte sie ein, war plötzlich unter ihr und hob sie aus dem Wasser. Als er sie in seinen kräftigen Armen hielt und an seine muskulöse Brust drückte, gab sie auf. Es machte sie glücklich, sich fallen zu lassen und von ihm gehalten zu werden. Sie schloss die Augen. Sie gehörte ihm.
An diesem Abend sahen sie den Vollmond über Amed. Nach dem Schwimmen hatte sich ihre Stimmung gebessert, obwohl sie ihm noch nicht verziehen hatte. Sie verbrachten den Nachmittag getrennt, Hector mit Lesen und Schwimmen, Aisha mit einem Spaziergang auf der Küstenstraße, die durch vier oder fünf Dörfer führte. Überall waren die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten am Abend in vollem Gange. Die Frauen und Mädchen suchten unter den Vordächern der Dorfplätze Schutz vor der brennenden Sonne und bereiteten dort die köstlichen Süßspeisen und Gewürzkuchen zu, die sie später den Göttern und Ahnen opfern würden. Die Männer und Jungen saßen im Kreis in den Tempeln und beteten, sie trugen leuchtend bunte Gewänder und dreieckige Kopfbedeckungen. Nur die ganz jungen folgten Aisha und gaben ihr Englisch zum Besten, ein wirres Gemisch aus australischer Umgangssprache und amerikanischem Hip-Hop-Slang. Irgendwann setzte sie sich in der trockenen Hitze an einen Brunnen und hörte den Gesprächen der Frauen und Kinder zu. Es erfüllte sie mit Frieden, ihnen zuzusehen, ihre hinduistischen Riten kamen ihr auf beruhigende Weise vertraut und gleichzeitig seltsam exotisch vor. Aisha war nicht religiös erzogen worden – ihre Eltern waren beide erklärte Säkularisten, deren Religion die Demokratie war. Die komplizierten Rituale des Hinduismus waren ihnen dagegen fast peinlich. Aber Aishas Großmutter väterlicherseits war gläubig gewesen, und als kleines Mädchen hatte es ihr Freude gemacht,ihrer
Nani
dabei zu helfen, die täglichen Süß- und Milchspeisen für die Götter zuzubereiten. Als ihre
Nani
dann starb, ging die Religion den Weg, den auch Märchen und Puppen gehen, sie wurde vergessen. Während sie den Balinesinnen lauschte, verspürte sie weder Nostalgie noch das Gefühl von Verlust. Selbst in einem indischen Hindu-Tempel hätte sie nichts dergleichen verspürt. Es war einfach schön zu sehen, wie gelassen alles vor sich ging. Als die Sonne zu sinken begann, nahm sie ihre Tasche und marschierte ohne Umwege zurück zum Hotel. Schweißüberströmt öffnete sie das Tor und stieß fast mit einem jungen Dienstmädchen zusammen, das mit Früchten und Kuchen beladen die Treppe herunterkam. Aisha verbeugte sich, murmelte
permisi
und sah ihr zu, wie sie das gefüllte Bananenblatt auf die unterste Stufe legte. Das Mädchen nahm ein Streichholz und zündete den Weihrauch an.
Hector lag nackt und zusammengerollt auf dem Bett und schnarchte genau wie ihr Sohn. Aisha kniete sich neben ihn und küsste ihn auf die Schulter. Er wachte auf und sah ihr in die Augen.
»Verzeihst du mir?«
»Ja.«
Noch hatte sie es nicht, nicht in ihrem Herzen, aber sie würde ihm verzeihen, das wusste sie. Er schmeckte säuerlich, nach Schweiß und Hitze. Sie küsste nochmal seine Schulter, zog sich aus und ging unter die Dusche. Das kalte Wasser war erfrischend, sie warf den Hals zurück, sah in den Himmel und hielt das Gesicht unter den Strahl. Als sie den Hahn zudrehte, meinte sie, Hector weinen zu hören. Sie wickelte sich das Handtuch um und ging zurück ins Schlafzimmer. Hector war in seine Boxershorts geschlüpft und stand auf dem Balkon. Als er sich zu ihr umdrehte, lächelte er, aber seine Augen waren gerötet.
»Was hältst du davon, vor dem Abendessen nochmal ins Wasser zu springen?«
Sie hatte gerade geduscht, ihr war nicht nach schwimmen. Doch wenn sie sagte, sie würde gern im Bett liegen und lesen, würde er bei ihr bleiben. Sie wollte nicht reden. Sie hatte keine Lust auf weitereGeständnisse, Entschuldigungen oder Enthüllungen. Sie wollte ihn auch nicht fragen, ob er geweint hatte.
Sie gingen in dasselbe Restaurant wie am ersten Abend. Der Besitzer, ein gesprächiger junger Mann namens Wayan, hatte sie beide mit seinem Charme und Humor beeindruckt. Anfangs hatten sie ihn für einen Teenager gehalten, aber als sie am ersten Abend gehen wollten, hatte er ihnen seine zwei kleinen Söhne vorgestellt. Das Essen war ausgezeichnet gewesen. Seine Frau hatte es gekocht. Als sie jetzt wiederkamen,
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