Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Seufzend klappte sie das Heft zu, krabbelte zu ihrem Schreibtisch und fuhr den Computer hoch. Richie rollte vom Bett herunter und kniete sich neben sie. Er beugte sich vor und machte die Anlage an. Eine kreischende Gitarre und ein Stakkato-Beat erfüllten den Raum.
»Mach das leise!«
Richie drehte ganz leicht am Lautstärkeregler.
Connie schob ihn weg und stellte leise. Sie ging auf Messenger und gab ihr Passwort ein. Richie widmete sich ihren CDs. Jenna war online, Connie schickte ihr einen Smiley. Jenna reagierte sofort:
Danke für gestern
. Connie schrieb zurück:
Kein Thema
. Sie vergaß ihre Hausaufgaben und verbrachte die nächste halbe Stunde mit Chatten. Richie saß auf dem Fußboden neben ihr und legte eine CD nach der anderen auf, ohne je ein Stück zu Ende zu hören. Ein Stapel gehörte Tasha, und sie wusste, dass mehrere davon von ihrem Vater waren. Das erste Madonna-Album, ein Typ namens Jackson Browne. Als Nächstes erklangen drei Titel von Devendra Banharts
Niño Rojo
.
Ohne zu fragen und ohne auf Connies oder Tashas Einladung zu warten, setzte Richie sich zu ihnen an den Esstisch. Nach dem Abendbrot baute Tasha das aufklappbare Feldbett im Wintergarten auf und warf eine Bettdecke darüber.
»Ruf Tracey an.«
Richie, der neben Connie im Wohnzimmer auf dem Fußboden lag und fernsah, holte sein Handy hervor und wählte die Nummer seiner Mutter.
»Mum, ich schlaf bei Connie. Okay?«
Er steckte das Handy wieder ein und lächelte Connie an. Er sah so glücklich aus mit seinem breiten, offenen Grinsen, wie ein kleiner Junge. Seine Augen waren gigantisch, ganz leuchtend und lebendig. Connie roch seine miefigen Socken. Sie lächelte zurück, und er berührte ihre Hand. Gemeinsam sahen sie sich das Ende von
Law & Order
an.
»Hast du Lust, am Samstag auf eine Party zu gehen statt ins Kino?«
»Wessen Party?«
»Jordan Athanasiou.«
»Ich bin nicht eingeladen.«
Richie schlürfte Obstquark von seinem Löffel, sein Mund war verschmiert.
»Ich lade dich ein.«
»Er will bestimmt nicht, dass ich mitkomme.«
Es klang weder zickig noch gekränkt. Sie wunderte sich, mit welcher Gelassenheit Richie das Leben hinnahm. Es stimmte, Jordan wollte wahrscheinlich nicht, dass er mitkam. Sie war sich selbst nicht sicher, ob sie das wollte. Zumal sie keine Lust hatte, sich den ganzen Abend um ihn zu kümmern. Was war sie doch für eine schreckliche Freundin.
»Ich will aber, dass du mitkommst.«
Richie wischte sich übers Kinn. »Okay.«
Er hatte weder geduscht noch eine Zahnbürste dabei, also hatte er sich auch nicht die Zähne geputzt. Sie hatte ihm ihre angeboten und war froh, dass er abgelehnt hatte. Irgendwann im Laufe des Tages würden die anderen ihn wegen seines Geruchs blöd anmachen. Es war das letzte Jahr an der Highschool, sie waren fast erwachsen, aber immer noch war ein kindisches ›Du stinkst‹ verletzender als jede andere Beleidigung.
Im Englischunterricht debattierte sie mit Mr. Thompson leidenschaftlich über ihre Interpretation von Graham Greenes
Der stille Amerikaner
. Sie regte sich über die Gleichgültigkeit der Frau auf und war der Meinung, sie müsse ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Als Mr. Thompson sie unterbrach und fragte, ob sie die Europäer und Nordamerikaner vielleicht vom Vorwurf der kolonialen Ausbeutung freisprechen wolle, antwortete sie nicht. Sein Vorwurf machte sie wütend. Das hatte sie überhaupt nicht gemeint. Sie wollte, dass die Frau etwas unternahm, dass sie denMund aufmachte und für sich selbst einstand. Stattdessen war sie den Drogen erlegen.
In der Mittagspause sah sie zusammen mit Jenna und Tina den Jungs beim Fußballspielen zu. Einer von ihnen schoss den Ball in ihre Richtung, sodass sie zur Seite springen mussten. Nick Cercic kam angerannt und entschuldigte sich. Du warst es doch gar nicht, dachte Connie, warum entschuldigst du dich dann? Er schwitzte und war völlig außer Atem. Gegen die Sonne war nur sein Umriss zu erkennen. Sie kniff die Augen zusammen. Ihr wurde klar, dass Nick offenbar ein bisschen verliebt in sie war und sie wahrscheinlich gern geküsst hätte. Bei dem Gedanken wurde ihr übel. Er war lediglich ein großer, etwas ungeschickter Junge, der bestimmt keine Ahnung vom Küssen hatte. Nur richtige Männer konnten küssen. Männer wie Hector. Sie verpasste dem Ball einen kräftigen Tritt, sodass er hoch über Nicks Kopf flog und in der Mitte des Spielfelds landete, zum großen Vergnügen der anderen Jungs.
»Nick meinte,
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