Nur einen Kuss, Kate!
drängte!
Wenig später wurde an die Tür geklopft.
“Was wollen Sie denn schon wieder?”, explodierte sie. Es folgte kurze Stille.
“Mr. Carstairs schickt mich wegen des Rests der Sachen”, hörte sie Millies zögernde Stimme.
Kate übergab Millie das Bündel und sah zu, wie das Mädchen die letzten Überreste ihres alten Lebens entführte.
So übel ist das gar nicht, dachte sie unvermittelt. An ihren alten Kleidern hingen viele Erinnerungen, von denen die wenigsten gut waren. Jetzt war sie dabei, sich ein anderes Leben aufzubauen, für das die neuen Kleider ein Symbol waren.
Als sie den langen Ärmel des grauen Spenzers glatt strich, spürte sie Millies verstohlenen Blick auf sich und lächelte ein wenig schuldbewusst.
Millie erwiderte ihr Lächeln. “Das Jäckchen ist wunderhübsch, Miss, und alles andere auch. Wie ich hörte, hat die alte Dame Ihnen die Sachen geschickt?”
Kate beeilte sich, ihre in fragendem Ton geäußerte Vermutung zu bestätigen. “Ja, es war sehr lieb von ihr.”
Millie nickte. “Nun, dann ist es ja gut. Möchten Sie eine Tasse Tee, Miss?”
Kate zögerte.
“Mr. Carstairs ist zum 'Ochsen' gegangen”, erklärte Millie, die Kates Gedanken erriet.
“Wie bitte?”
“Ins Wirtshaus – 'Zum Ochsen'. Er wird sicher erst ganz spät zurück sein.”
“Nun, dann trinke ich gern eine Tasse.”
Vor dem Zubettgehen zog Kate eines ihrer neuen Nachthemden an und schlüpfte vor Kälte zitternd ins Bett. Da die Nächte schon sehr kalt waren, würde man bald heiße Ziegel und Bettwärmer brauchen. Sie vergrub sich tief in die Decken und genoss das Gefühl des leichten Leinenhemdes auf der Haut. Das seidene hatte sie ausgiebig bewundert und wieder weggeräumt. Sie konnte sich nicht vorstellen, es zu tragen. Ein Stück wie dieses war nicht geschaffen, nachts eine Frau zu wärmen, sondern einen Mann …
Zum ersten Mal seit Monaten dachte sie an Henri und an die Dinge, die er mit ihr getan hatte. Sie hatten ihr nicht missfallen, doch wurde jede angenehme Erinnerung durch das Wissen überschattet, dass er nicht ihr Mann, sondern ein Fremder gewesen war, der sie belogen hatte, um sich die Rechte eines Ehemannes zu erschleichen. Sie hatte sich missbraucht gefühlt und schuldig, aber auch wütend …
Sie fragte sich, wie es sein mochte, diese Wonnen mit Jack zu erleben, und sofort brannte ihr Gesicht vor Scham. Was für schockierende Gedanken! Sie drückte die heißen Wangen gegen das kühle Leinen ihres Kissens.
Sie hatte Jack Carstairs die Schuld an den Streitigkeiten über die Kleider gegeben, in Wahrheit aber hatte sie ihn herausgefordert, obwohl sie wusste, wie er reagieren würde, wenn sie die Kleider nicht annahm. Genauso war es gekommen, und damit hatte er ihr den Grund geliefert, sich ihm zu widersetzen …
Sie war es auch gewesen, die seine Berührung herausforderte. Schlimmer noch, sie hatte sie genossen, hatte gewollt, dass seine Liebkosungen nicht aufhörten, und hatte sich vorgestellt, Jack würde mit ihr tun, was Henri getan hatte.
Kate musste sich der Wahrheit stellen: Die Frauen in Lissabon hatten sie richtig eingeschätzt. Sie war eine lüsterne Dirne. Eben hatte sie den Beweis geliefert. Ihr war so jämmerlich zumute, dass sie sich die Decke über den Kopf zog und sich bemühte, nur reine Gedanken zu haben. Es glückte nicht. Sie konnte immer nur daran denken, was sie empfunden hatte, als Jack Carstairs sie festhielt. Kate rollte sich in dem großen Bett fest zusammen. Als einziges Gegenmittel fiel ihr ein, sich jeden Bibelspruch und Psalm, den sie kannte, vorzusagen und zu hoffen, die schlimmen Gedanken zu vertreiben.
Im “Ochsen” saß Jack bei einem Brandy und starrte ins Feuer, ohne etwas vom Lärm um ihn herum mitzubekommen.
Fast lächelte er, als er daran dachte, wie kühn sie ihm Widerstand geleistet und sich strikt geweigert hatte, die heiß ersehnten Kleider anzunehmen. Denn gewünscht hatte Kate sie sich, das stand für ihn fest, als er beobachtete, wie sie die Sachen mit kindlicher Freude angefasst und an ihre Wange gedrückt hatte.
Aber Kate war kein Kind. Er hatte nicht widerstehen können, sie zu necken, mit ihr zu flirten, sie aufzubringen.
Und er war so weit gegangen, die Knöpfe in ihrem Nacken zu öffnen … Er dachte daran, wie sich die warme, seidige Haut an ihrem Nacken angefühlt hatte, dachte an den Duft, der von ihr ausging, und stieß eine Verwünschung aus.
Was nun? Wenn er nicht höllisch aufpasste, würde ihm die Situation
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