Nur einen Kuss, Kate!
wohlerzogen, um eine Bemerkung zu machen. Jack indes hatte nicht die Absicht, seine Meinung für sich zu behalten, wie sie genau spürte. Eigensinnig schob sie ihr Kinn vor und ignorierte standhaft seine finstere Miene.
In Francis' Augen blitzte es belustigt. Jacks schlechte Laune war ihm sofort aufgefallen, und jetzt spürte er den stillen Zweikampf, den sich die beiden lieferten. Sie war keineswegs der Engel, als den sein Vetter sie bezeichnet hatte, sondern ein Temperamentsbündel, das ebenso gut einstecken wie austeilen konnte. Für Jack war sie perfekt.
Nach dem Essen stand Kate auf und räumte das Geschirr ab, während die anderen Pläne für den Tag schmiedeten. Nach einer gemurmelten Entschuldigung folgte Jack ihr in die Küche.
Francis war es nicht entgangen. Wenn er sich nicht sehr irrte, stand die nächste Auseinandersetzung und damit eine amüsante Szene zwischen Miss Farleigh und seinem Freund bevor. Kaum vernahm er ihre lauten Stimmen, scheute er sich nicht, ganz harmlos in der Küche aufzutauchen.
“Miss Farleigh, ich möchte endlich eine Antwort: Was soll die Scheußlichkeit auf Ihrem Kopf?”
“Welche Scheußlichkeit?”
“Das weiße Ding da. Warum tragen Sie es?”
“Ist das nicht klar?”
“Nicht für mich. Solche Gebilde werden von hässlichen alten Jungfern getragen. Sie sind ein junges Mädchen, und Ihr Haar ist zu hübsch, um es zu verstecken.”
Das Kompliment überraschte Kate, sie fasste sich aber schnell. “Es ist nett von Ihnen, dass Sie das sagen. Aber ein junges Mädchen bin ich nicht mehr und werde deshalb das Häubchen tragen.”
“Sie sind keine alte Jungfer, deshalb nehmen Sie es sofort ab.”
“Doch, ich bin eine und werde das Häubchen tragen, ob es Ihnen gefällt oder nicht.” Kate funkelte Jack an, die Hände in die Hüften gestützt.
“Ach, wirklich?”
Francis lächelte. Er kannte die Anzeichen – sein Freund war wutentbrannt, bemühte sich aber um Zurückhaltung. Jack ging näher. Kate wich wachsam zurück, ihr Häubchen auf dem Kopf festhaltend. Francis sah, dass sein Augenblick gekommen war.
“Ich bitte um Vergebung für mein Eindringen … nein, macht weiter. Ich möchte euer Gespräch nicht stören.” Er setzte sich, sichtlich in Erwartung eines Spaßes. “Du wolltest doch eben Miss Farleigh ihres Häubchens berauben”, lieferte er seinem Freund das Stichwort.
Kate blickte von Francis' höflicher Miene zu Jacks finsterem Blick und ließ ein Kichern hören. Francis' Lächeln wurde breiter. Jack fuhr sich verärgert durchs Haar.
“Verdammt, Francis”, fluchte er, dann aber gewann sein Sinn für Humor die Oberhand. Das Zucken seiner Lippen, das in krassem Widerspruch zu seinem Blick stand, reizte sein Publikum noch mehr zum Lachen, und schließlich stimmte er in ihr Gelächter ein.
Schließlich stand Kate auf, und sofort taten Francis und Jack es ihr gleich. “Entschuldigen Sie mich”, sagte sie, “aber ich habe noch einiges zu erledigen.”
“Ich auch”, stimmte Jack zu, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er ihr das Häubchen vom Kopf gerissen und es ins Feuer geworfen. “Schon besser.” Er grinste triumphierend.
“Sie Ungeheuer!”, rief Kate aus.
“Es war so hässlich, dass ich es verbrennen musste. Du gibst mir doch recht, Francis?”
Francis verbeugte sich vor Kate. “Verzeihen Sie, Miss Farleigh, ich verabscheue seine Methoden, aber dieses Gebilde war wirklich unmöglich. Ihr Haar ist zu schön, um versteckt zu werden.”
Kate errötete.
Jack sah seinen Freund aus zusammengekniffenen Augen an. “Ja, sehr gut. Aber du hast jetzt genug gesagt, Francis. Höchste Zeit, dass du verschwindest. Höre ich nicht Toby nach dir rufen?”
Francis lächelte. “Du musst sehr gute Ohren haben”, murmelte er. “Ich habe nichts gehört.”
Jack schob ihn zur Tür hinaus, doch als er sich zu Kate umdrehte, wurde ihm ein so hitziger Blick aus blitzenden graugrünen Augen zuteil, dass er entschied, sich lieber seinen Gästen zu widmen. Er folgte Francis hinaus in die Diele, wo sie auf Mr. Lennox trafen.
“Ein herrlicher Morgen für einen Ausritt, findest du nicht, Jack?”
“Gute Idee”, meinte Jack, dessen Laune sich sofort besserte. Nachdem sie Sir Toby herbeigerufen hatten, begaben sie sich zu viert zu den Stallungen.
Es war ein frischer, sonniger Morgen. Über den schattigen Senken, in denen noch vereinzelte Schneereste lagen, hingen Nebelschwaden. Die Pferde schnaubten und tänzelten vor Vorfreude, aber Francis, Sir
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