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Nur einen Tag noch

Titel: Nur einen Tag noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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musst?«
    »Klar«, antworte ich. Ich habe keinen blassen Schimmer.
    »Na dann los«, sagt sie.
    Ich quetsche Rasiercreme aus der Tube und verteile sie im Gesicht.
    »Du musst sie verreiben«, erklärt meine Mutter.
    Ich verreibe die Creme, bis meine Wangen und das Kinn weiß sind, und greife zum Rasierer.
    »Schön vorsichtig«, sagt sie. »Nur in eine Richtung, nicht rauf und runter.«
    »Ich weiß«, erwidere ich gereizt. Ich finde es unangenehm, das in Anwesenheit meiner Mutter zu machen. Eigentlich sollte mein Vater an ihrer Stelle sein. Das ist uns beiden bewusst. Aber keiner bringt es zur Sprache.
    Ich befolge ihre Anweisungen. Bewege den Rasierer nach unten, ziehe eine breite Bahn durch die weiße Creme. Als ich den Rasierer übers Kinn ziehe, bleibt er hängen, und ich spüre, dass ich mich geschnitten habe.
    »Oooh, Charley, ist alles okay?«
    Sie streckt unwillkürlich die Hand nach mir aus und zieht sie dann wieder zurück, als wisse sie, dass diese Geste unerwünscht sei.
    »Keine Sorge«, sage ich, wild entschlossen weiterzumachen.
    Sie schaut mir zu, während ich das Kinn und den Hals rasiere. Als ich fertig bin, sehe ich sie an. Sie legt eine Hand an ihre Wange und lächelt. Dann flüstert sie mit gespielt vornehmer Stimme: »Sie haben’s geschafft, mein Herr.«
    Ich bin stolz.
    »Und jetzt wasch dir das Gesicht«, sagt sie.

Als ich meine Mutter im Stich ließ
    Es ist Halloween. Ich bin sechzehn, zu alt, um noch an Türen zu klingeln und Süßigkeiten zu verlangen. Aber meine Schwester will unbedingt, dass ich nach dem Abendessen mit ihr rausgehe – sie ist der festen Überzeugung, dass man im Dunkeln mehr Süßigkeiten ergattert -, und ich willige widerstrebend ein, unter der Bedingung, dass ich meine neue Freundin Joanie mitnehmen darf. Joanie ist Cheerleaderin, und ich bin zu diesem Zeitpunkt schon ein Star in der Baseballmannschaft der Schule.
    »Ich will weiter weg, damit wir ganz viel erbeuten«, verkündet meine Schwester.
    Es ist kalt, und wir stecken die Hände in die Taschen, als wir von Haus zu Haus ziehen. Roberta sammelt ihre Süßigkeiten in einer braunen Papiertüte. Ich trage meine Baseballjacke, Joanie ihr Cheerleader-Sweatshirt.
    »Süßes, sonst gibt’s Saures!«, kreischt meine Schwester, als die Tür aufgeht.
    »Und wer bist du denn, Schätzchen?«, fragt die Frau. Sie ist etwa so alt wie meine Mutter, aber sie trägt ein Hauskleid, hat rote Haare und unsauber geschminkte Augenbrauen.
    »Ich bin ein Pirat«, antwortet Roberta. »Grrr.«
    Die Frau lächelt und lässt einen Schokoriegel in die Tüte meiner Schwester fallen, als werfe sie einen Penny in ein Sparschwein. Plopp, macht der Riegel.
    »Ich bin ihr Bruder«, sage ich.
    »Ich ... begleite die beiden«, erklärt Joanie.
    »Und kenne ich eure Eltern?«, erkundigt sich die Frau.
    Sie macht Anstalten, noch einen Schokoriegel in Robertas Tüte zu werfen.
    »Mrs. Benetto ist meine Mama«, antwortet Roberta.
    Die Frau zieht den Schokoriegel zurück.
    »Meinst du nicht Miss Benetto?«, sagt sie.
    Wir sind sprachlos. Der Gesichtsausdruck der Frau hat sich verändert, die schlampig geschminkten Augenbrauen ziehen sich jetzt unfreundlich zusammen.
    »Hör mir mal gut zu, Schätzchen. Sag deiner Mutter, dass mein Mann in seinem Laden nicht jeden Tag ihre kleine Modeschau betrachten muss. Sag ihr, sie soll bloß nicht auf falsche Gedanken kommen, hörst du? Keine falschen Gedanken.«
    Joanie schaut mich an. Mein Nacken fühlt sich brennend heiß an.
    »Kann ich den auch noch haben?«, fragt Roberta, den Blick auf den Schokoriegel gerichtet.
    Die Frau drückt den Riegel an ihre Brust.
    »Komm schon, Roberta«, murmle ich und zerre meine Schwester weg.
    »Muss in der Familie liegen«, sagt die Frau. »Ihr wollt euch alles unter den Nagel reißen. Richte ihr aus, was ich dir gesagt habe! Keine falschen Gedanken, hörst du?«
    Wir suchen das Weite.

Roses Abschied
    A ls wir aus Roses Haus traten, war das Sonnenlicht strahlender als zuvor. Rose begleitete uns zur Haustür und blockierte sie mit ihrer Gehhilfe.
    »Nun, dann bis bald, liebe Rose«, sagte meine Mutter.
    »Danke, Liebes«, erwiderte Rose, »wir sehen uns in Bälde.«
    »Natürlich.«
    Sie küsste Rose auf die Wange. Meine Mutter hatte ihre Sache gut gemacht, musste ich zugeben: Die Frisur saß prächtig, und Rose sah Jahre jünger aus als zuvor.
    »Sie sehen prima aus«, sagte ich.
    »Danke schön, Charley. Ein besonderer Anlass.«
    Sie umfasste den Griff ihrer Gehhilfe

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