Nur Engel fliegen hoeher
hinter uns?«
Jonas sieht in den Rückspiegel. »Ich sehe keine.«
»Ich meine das rote Auto. Es war uns schon in Stralsund auf den Fersen.«
»Der rote Wartburg? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stasi uns in einem derart auffälligen Auto verfolgt.«
»Fahr doch einfach mal von der Bundesstraße runter, dann wissen wir es.«
Am Ende des Rügendamms bremst Jonas scharf und biegt nach rechts auf die Nebenstrecke nach Putbus ein. Der rote Wartburg fährt weiter geradeaus.
»Na also«, sagt Jonas. »Die sind wir los. Wir fahren jetzt an der Südküste entlang. Das ist zwar ein Umweg, aber dafür kommen wir durch schöne alte Alleen.«
»Und die Genossen sind wieder an unserer Seite«, sagt Julia und zeigt mit einer Kopfbewegung auf den Rückspiegel. Der rote Wartburg ist erneut hinter ihnen.
»Scheiße!«, flucht Jonas.
»Können wir die irgendwie abhängen?«
Jonas kratzt sich am Kopf. Sie haben Garz passiert und fahren jetzt auf Kopfsteinpflaster unter einem Dach alter Bäume nach Putbus. In der ehemaligen Fürstenstadt mit seinem kreisförmigen Ortskern und schönen klassizistischen Bauten nimmt Jonas die Ausfahrt nach Sellin. Das verdächtige rote Auto folgt ihnen. Manchmal fährt es so dicht auf, dass man die Gesichter der beiden jungen Männer darin deutlich erkennen kann.
»Von Seilin fährt eine alte Schmalspurbahn nach Göhren. Lass uns dort in den Zug umsteigen. Wenn die das auch tun, gibt es wohl keine Fragen mehr. Wenn nicht, machen wir eine schöne kleine Zugfahrt an der Küste entlang.«
»Ist ja richtig spannend. Ich wollte schon immer mal Hauptdarstellerin in einem James-Bond-Film sein.« Julia lacht, isst ein Brötchen und trinkt Kakaomilch.
»Mit dem Unterschied, dass du nach Belieben von der Leinwand steigen und nach Hause gehen darfst, während ich bis zum bitteren Ende weiterspielen muss.«
Der Ausblick auf den Greifswalder Bodden mit seiner zerklüfteten Küste ist wunderschön. Die Sonne zaubert aus den Hügeln mit ihren weißen Schneeflecken eine malerische Landschaft. Die versprengten Gehöfte mit reetgedeckten Häusern vermitteln den Eindruck, als sei hier die Zeit stehen geblieben.
Am Ortseingang von Seilin müssen sie an einem Übergang der Schmalspurbahn halten. Aus Richtung Putbus kommt der alte Dampfzug nach Göhren geschnauft.
»Mein Gott, ist das schön!«, seufzt Julia.
»Das ist der Express, in den ich umsteigen will. Etwa einen Kilometer von hier hält er gleich neben der Straße.«
»Die Gelegenheit«, sagt Julia, nimmt Geldbörse und Pass aus ihrer Reisetasche und steckt beides in die Jacke. Schnell wechselt sie noch ihre eleganten hohen Stiefel gegen ein paar Turnschuhe und hängt sich ihre Kamera um.
Sie erreichen den Bahnhof zur selben Zeit wie die alte Dampfbahn. Jonas parkt auf dem Vorplatz. Sie stürzen hinaus, er schließt den Wagen ab. Sekunden später klettern sie auf den vorderen Wagen des Zuges. Auf der offenen Plattform stehend, sehen sie, dass auch der rote Wartburg parkt. Zwei junge Männer in Windjacken steigen aus und blicken sich um. Der Schaffner mit der roten Mütze bläst in seine Trillerpfeife, die Dampflok pfeift, der Zug fährt langsam an. Im selben Moment sprinten die zwei jungen Männer von ihrem Auto zum Zug und springen auf den letzten Wagen auf.
»Los, komm!«, sagt Julia und öffnet auf der dem Bahnhof abgewandten Seite des Zuges die eiserne Absperrung der Plattform. Hand in Hand springen sie vom anrollenden Zug und verstecken sich hinter mannshohem Sanddorngestrüpp neben dem Bahndamm. Von ihrem Versteck aus beobachten sie den vorbeischnaufenden Zug. Auf der hinteren Plattform stehen ihre beiden Verfolger und zünden sich eine Zigarette an. Kichernd wie zwei Kinder, die etwas ausgeheckt haben, ducken sie sich und nehmen sich in den Arm.
»Die wären wir los«, flüstert Julia.
Ganz in der Nähe des Bahnhofs finden sie ein hübsches kleines Cafe mit einer verglasten Veranda und bestellen heiße Schokolade und selbst gebackenen Apfelkuchen.
»Ich frage mich, was die von uns wollen. Oder bist du doch eine Agentin?«
»Na klar. Ich spioniere dich aus, um dich zu entführen.«
»Hoffentlich machst du deine Drohung bald wahr.«
»Ich weiß nicht, ob es gut ist, so lange hier zu sitzen. Wann kommt der Zug zurück?«
»Der braucht vielleicht zwanzig Minuten bis Göhren. Dort muss die Lok umgespannt werden. Und dann noch mal zwanzig Minuten zurück.«
»Lass uns zahlen und verschwinden. Wo werden wir heute übernachten?«
»In
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