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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Westfield
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Sie Ihre Chancen auf Genehmigung von Reiseersuchen verbessern, wenn Sie sich des Vokabulars des Klassengegners bedienen?«
    »Das ist mir inzwischen scheißegal. Und wenn ich hier wütend werde, dann liegt das nicht daran, dass mich der sogenannte Klassengegner beeinflusst hat, sondern einzig und allein daran, dass Sie mich seit Jahren unbegründet an die Kette legen.«
    Jonas dreht nervös die Zigarette in seinen Händen, inzwischen die dritte.
    »Herr Maler, Sie dürfen hier gern unsere sozialistische Demokratie noch mehr mit Schmutz bewerfen. Dann kann ich Ihnen jedoch nicht garantieren, dass Sie heute Abend Ihre Familie wiedersehen werden.«
    Jonas drückt die Zigarette aus. Er blickt dem Stasi-Mann tief in die Augen. Sein Blick sprüht vor Hass und Verachtung, und Jonas will, dass sein Gegenüber es registriert.
    »Na, dann hat es wohl wenig Sinn«, nimmt Jäger den Faden wieder auf, »Ihnen ein Angebot zu machen, die aufgestauten Probleme dauerhaft zu lösen.«
    »Ich traue Ihnen nicht über den Weg.«
    »Ich könnte versuchen herauszufinden, ob es beim MfS eventuell eine Abteilung gibt, die möglicherweise die Genossen der Bezirksbehörde der Volkspolizei davon überzeugen könnte, dass Jonas Maler ein junger Mann ist, der mit beiden Beinen auf der Seite des Sozialismus steht - auch wenn es manchmal einen etwas anderen Anschein haben mag.«
    »Würden Sie bitte konkreter werden.«
    »Wie gesagt, die Bearbeitung von Reiseersuchen liegt in den Händen der Volkspolizei. Aber es könnte ja sein, dass man - auf welcher Ebene auch immer - bereit ist, über Ihren Fall neu nachzudenken.«
    »Ich glaube Ihren Versprechungen nicht.«
    »Ich habe auch nichts versprochen.«
    Jonas weiß nicht, was er von Jägers Angebot halten soll. Er will eine klare Antwort.
    »Ich werde morgen einen neuen Reiseantrag nach Ungarn stellen. Dann weiß ich spätestens in vier Wochen, ob Sie bereit sind, mir die kleinen Freiheiten eines DDR-Bürgers zu gewähren, oder ob Sie mich weiter verarschen.«
    »Nicht so überstürzt, junger Mann. Dass Ihnen die Reisen ins Ausland wichtig sind, das wissen ja längst alle zuständigen Organe. Kann man ja auch gut verstehen, bei Ihrem Beruf. Wenn es nach mir ginge, würde ich gern ein Wort dafür einlegen, dass Ihnen Reisen in die sozialistischen Bruderländer künftig genehmigt werden. Möglicherweise haben Sie ja auch noch weitere Reisepläne.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Ich sage es Ihnen offen heraus: Ich möchte Ihnen gern helfen in Reiseangelegenheiten und vielleicht auch bei anderen persönlichen Problemen. Die kann ja heutzutage jeder einmal bekommen. Ich wäre dann sozusagen Ihr persönlicher Ansprechpartner.«
    Jäger schenkt Kaffee nach. Er wirkt sehr freundlich. Er reicht Jonas die Zuckerdose und fährt fort: »Wissen Sie, auch ich brauche manchmal einen Ansprechpartner. Und ich würde mich freuen, wenn wir uns da einfach gegenseitig etwas unterstützen.«
    »Wie soll ich das verstehen?« Jonas steckt sich eine neue Zigarette an.
    »Ja, Herr Maler, auch ich brauche manchmal jemanden, der mir hilft. Vielleicht habe ich einmal Fragen zu gewissen Abläufen im redaktionellen Alltag oder vielleicht zu der einen oder anderen Person.«
    »Sie wollen, dass ich Ihnen Spitzel berichte schreibe?«
    »Herr Maler! Bitte! Doch nicht immer so ein unschönes Vokabular. Wie gesagt, es geht in erster Linie darum, Ihnen zu helfen, damit sich da nicht noch mehr aufstaut. Ich verstehe sehr gut, dass ein junger Mann wie Sie auch mal in andere Länder rei-
    sen möchte. Sie werden aber einsehen, dass ich, um Ihre Probleme zu lösen, an bestimmten Stellen auch signalisieren muss, dass Sie bereit sind, mit den staatlichen Organen zusammenzuarbeiten. Das bedeutet nicht viel mehr, als dass wir uns gelegentlich zu einem netten Gespräch treffen würden. Das Einzige, was Sie dazu schreiben müssen, ist eine Art Verpflichtungserklärung. Dieser Dreizeiler dürfte für einen Journalisten keine allzu große Hürde sein.«
    »Ich arbeite für keinen Geheimdienst.«
    »Wo Sie gerade das Wort Geheimdienst in den Mund nehmen -was ist eigentlich aus dieser amerikanischen Agentin, ich glaube, sie hieß Julia McCandle, mit der man Sie in Greifswald gesehen hat, geworden?«
    Jonas sieht die beiden Männer schweigend an. Er will etwas sagen, spricht dann aber kein Wort.
    »Es tut mir leid, Herr Maler, dass die Greifswalder Sicherheitsorgane damals vielleicht etwas überhitzt gehandelt haben. Aber bei einer mutmaßlichen

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