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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Westfield
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reichen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Jagovich hat die Zigarette aus dem Mund genommen und starrt Zessel an.
    »Festnehmen. Verurteilen. Wegschließen.«
    »Sie glauben also, die Arbeitsgruppe des Ministers hat mich dazu aus Berlin zu Ihnen nach Rostock geschickt?«
    »Ich verstehe nicht ganz ...«
    »Eine Liebesaffäre, weiter nichts ...«
    »Ich möchte anmerken, dass Genosse Wohlgemuth sich schon ähnlich äußerte und den Sinn des bisher geleisteten operativtechnischen Aufwandes zur Observierung eines möglicherweise harmlosen Liebespaares in Frage stellte.«
    »Da hat er sicher recht. Verschärfend käme lediglich hinzu, dass Maler irgendwann abzuhauen versucht. Aber das war bei ihm früher oder später so oder so zu erwarten. Warum genehmigen Sie ihm nicht die Ausreise? Der nützt der Gesellschaft eh nichts mehr, sondern stört nur.«
    »Genosse Jagovich, wenn Sie genauso denken, dann frage ich mich jetzt tatsächlich, warum ...«
    »... sich die Arbeitsgruppe des Ministers für den Fall interessiert?«
    Es klopft. Die junge Frau mit den kurzen Haaren tritt leise herein und fragt, ob sie das Frühstück abräumen darf. Beide nicken. Sie bringt noch einen sauberen Aschenbecher und eine Thermos-kanne mit frischem Kaffee.
    Als sich Jagovich im Raum umsieht, entdeckt er das russische Schachspiel mit den schön geschnitzten Figuren im Regal.
    »Sie spielen Schach?«
    »Nur leidlich, Genosse Jagovich. Es ist ein Geschenk von einem sowjetischen Genossen. Die Figuren sind aus Bein geschnitzt. Die hellen sind die Rotgardisten. Die dunklen tragen Uniformen der Weißgardisten. Hübsch, nicht wahr?«, sagt Zes-sel und stellt das aufgebaute Spiel auf den Tisch.
    »Ich habe früher ein ähnliches besessen. In meiner Kindheit war ich viel allein. Da habe ich zuerst die eine Farbe gespielt, dann das Brett gedreht und die andere vorangebracht. Und dann habe ich wieder das Brett gedreht.«
    »Sie müssen ein sehr guter Spieler sein.«
    »Wer, Genosse Zessel, ist die wichtigste Figur in unserem Spiel?«
    »Jonas Maler natürlich.«
    Igor Jagovich nimmt einen Bauern aus der Mitte der hellen Spielfiguren und legt ihn lautlos um.
    »Sie meinen, die Dame ist wichtiger?«
    »Schon dichter dran. Was halten Sie von dem Mann an der Seite der Dame?«
    Jagovich nimmt den schön geformten schwarzen König in die linke Hand und betrachtet ihn aufmerksam.
    »Was wollen Sie denn mit dem Neger? Entschuldigen Sie, den schwarzen Amerikaner, meine ich.«
    »Was wissen wir über ihn?«
    »Er ist Sicherheitschef an der US-Botschaft in unserer Hauptstadt. Zuständig unter anderem für die Kontrollen von Personen, die das Botschaftsgebäude betreten.«
    »Genosse Zessel, wenn ein Besucher, es könnte auch ein DDR-Bürger sein, die USA-Botschaft betritt, muss er zuerst durch eine Schleuse wie auf einem Flughafen gehen. Danach kann er rechts abbiegen und die Bibliothek der Botschaft besuchen. Es ist zwar nicht erfreulich, wenn ein DDR-Bürger dorthin geht, aber vergleichsweise harmlos. Manche Ausreiseantragsteller machen das, um einfach nur ein wenig zu provozieren. Wir können ja nicht sehen, wohin sich der Besucher innerhalb des Gebäudes bewegt. Er könnte nämlich auch nach links gehen -in die eigentliche Botschaft. Und dort leiht er normalerweise keine Bücher aus.«
    »Sie meinen, Marc Davis kann unterscheiden, wer Bücher ausleiht oder tatsächlich die feindliche Vertretung aufsucht.«
    »Es ist sein Job beziehungsweise der seiner Leute, das zu kontrollieren und namentlich festzuhalten.«
    »Ein interessanter schwarzer König. Aber er soll niemanden an sich heranlassen.«
    »Dazu haben wir unsere anderen Figuren«, sagt Jagovich und stellt den schwarzen König auf seine Ausgangsposition zurück.
    »Ich habe die Speicher der Abteilungen II, X und XII abrufen lassen. Das wenige, was ich erfahren konnte, ist, dass Davis eine soldatische Disziplin an den Tag legt. Von der USA-Botschaft in der DDR-Hauptstadt bis zur GÜST Friedrichstraße fährt er mit seinem Wagen immer dieselbe Strecke zur selben Zeit. Nie macht er einen Umweg oder betritt auch nur eine Sekunde lang den Boden der DDR, obwohl er aufgrund seines Diplomatenstatus' alle Möglichkeiten dazu hätte. Die Genossen der GÜST können ihre Uhr danach stellen, wann Marc Davis in seinem schwarzen Chrysler über die Grenzlinie fährt.«
    »Sie meinen, der Mann sei unnahbar?«
    »Eher machen wir aus dem US-Präsidenten einen Überläufer.«
    »Wie könnte er sich verhalten ...« -Jagovich

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