Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Westfield
Vom Netzwerk:
stellt den weißen Bauern, den er aufs Feld gelegt hatte, unmittelbar vor den schwarzen König -, «... wenn ein gegnerischer Bauer bereits in seine Verteidigung eingedrungen ist, um ihm in einem nächsten Zug seine Dame zu stehlen?« Jagovich dreht das Brett so, dass Zessel jetzt die schwarzen Figuren vor sich hat und die Situation besser einschätzen kann.
    »Er wird einen seiner Offiziere, einen Läufer oder Springer, einsetzen und den Bauern unschädlich machen.«
    »Das wäre eine naheliegende Variante. Doch wenn seine Offiziere aus verständlichen Gründen nicht wissen sollen, dass da jemand an seiner Dame knabbert?«
    »Dann macht der schwarze König einen Schritt nach vorn und legt den Bauern selbst um, damit er seine Dame behält.«
    »Aha! Er legt ihn um, damit er seine Dame behält. Und dann?«
    »Dann steht der schwarze König vielleicht etwas ungeschützt, und sein Gegner kann ihm leicht Schach bieten.«
    »Und wenn er versucht, sich zurückzuziehen, wir aber gut spielen, können wir möglicherweise immer wieder mit Schach nachlegen. Bis wir ihn haben.«
    »Genosse Jagovich, ich verstehe nicht viel vom Schach. Aber ich halte es für wenig aussichtsreich, den schwarzen König ins Spiel zu locken. Er wird dem feindlichen Bauern kein Haar krümmen, weil er sich niemals die Finger schmutzig machen wird. Er weiß vermutlich nicht einmal, dass ein gegnerischer Bauer seine Dame besteigt.«
    »Es liegt an uns, das zu ändern.«
    »Was sollte Ihrer Meinung nach zusätzlich in den operativen Maßnahmeplan aufgenommen werden?«
    »Wir halten das Reiseverbot für Jonas Maler aufrecht und sorgen dafür, dass er auch nicht mehr illegal in die CSSR kommt. Aber bitte keine Festnahme. Auch keine anderen voreiligen Maßnahmen. Wir brauchen den Kerl noch. Bei einem geeigneten An-lass nehmen wir ihm den Personalausweis ab und geben ihm die PM12 mit der Maßgabe, dass er sich nur noch innerhalb seines Wohnortes Rostock bewegen darf.«
    »Das wird ihn weiter zersetzen.«
    »Und seiner Ehefrau Ellen erlauben wir, zur Kunstmesse nach Kopenhagen zu fahren.«
    »Es wird ihm empfindlich wehtun, wenn Personen in seinem Umfeld reisen dürfen, er aber nicht.«
    »Genau das wollen wir. Und seine schwarze Dame wird überhaupt nicht mehr als Tagesbesucherin oder Touristin privat in die DDR einreisen dürfen. Sollte sie im Transit fahren, was wir ihr aufgrund bilateraler Abkommen nicht verbieten dürfen, behalten wir sie im Auge. Es darf zu keiner persönlichen Begegnung
    mehr zwischen den beiden kommen. Sie sollen vor Sehnsucht verbrennen.«
    »Das hört sich richtig gut an.«
    »Möglicherweise drängt sie dann den schwarzen König, mit ins Spiel einzusteigen.«
    »Sie denken an Diplomatenpass oder Ausschleusung?«
    »Zu Spielbeginn weiß noch niemand, wohin sich die Figuren bewegen. Aber es ist an der Zeit, dass wir das Spiel in die Hand nehmen.«
     

Kapitel 18
    »Mama, wenn ich mich darin einwickle, findet mich niemand, wenn du über die Grenze nach Dänemark fährst.« Die achtjährige Maria packt einen zusammengerollten Gobelin hinter die Rücksitze von Ellens Trabi-Kombi. Auf dem Hof des Grundstücks in Langenhagen stehen Kartons voller Keramiken, die Ellen auf dem Kunsthandwerkermarkt in Kopenhagen verkaufen will. Seit gestern hat sie ihren Reisepass. Sie darf als einzige Künstlerin aus dem Bezirk Rostock zu der Ausstellung nach Dänemark reisen.
    »Hör auf mit solchen dummen Witzen!«, fährt Jonas seine Tochter an.
    »Lass deine schlechte Laune nicht an dem Kind aus, nur weil du neidisch bist«, entgegnet Ellen.
    Sie hat recht, denkt Jonas. Er überlegt. »Ich möchte gern, dass wir alle zusammen an den Strand fahren. Habt ihr Lust?«, fragt er.
    »O ja, Papa! Ich baue für uns ein Schloss aus Sand.«
    »Ja, gerne, Jonas. Da können wir uns ungestört unterhalten.«
    Sie packen die letzten Kartons in Ellens Trabi, schließen alles ab und fahren in Jonas' Lada zur Steilküste Stolteraa bei Rostock.
    Es ist der erste schöne warme Abend im Mai. Maria beginnt am Strand mit dem Bau des Sandschlosses. Jonas sammelt Treibholz, schichtet es auf und zündet ein kleines Feuer an. Ellen und Jonas setzten sich davor und blicken aufs Meer. Kaum brennt das Feuer, kommen zwei Grenzsoldaten.
    »Würden Sie bitte sofort das Feuer löschen!«
    »Wieso denn das?«
    »Sie geben illegale Zeichen und stören damit die Navigation der Seeschifffahrt.«
    »Bei Tageslicht? Ihr habt doch alle eine an der Klatsche!«
    »Ich wiederhole: Es ist streng

Weitere Kostenlose Bücher