Nur Engel fliegen hoeher
Pläne mit der Post schicken?«
»Lass das meine Sorge sein. Du bekommst auch eine Fluganleitung und alles, was du brauchst - vorausgesetzt, du willst es.«
»Ich bin noch nie im Leben geflogen. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
-Ich habe lange darüber nachgedacht. Es scheint mir ein sicherer Weg zu sein.«
»Wenn man etwas davon versteht. Aber ich hätte wahrscheinlich keine Chance, es auszuprobieren.«
»Behalt es einfach als eine mögliche Variante im Hinterkopf. Für den Fall, dass uns nichts Besseres einfällt.«
»Wenn ich mich dafür entscheiden sollte, wie lasse ich es dich wissen?«
Sie erreichen das andere Ufer und legen sich auf die Wiese unterhalb der US-Botschaft.
»Jonas, ich suche weiter nach Alternativen.«
»Sollte ich keine andere Wahl haben, kannst du mir dann kurzfristig und auf sicherem Wege die Baupläne beschaffen?«
»Ich denke schon. Merk dir den Namen Bianca Bosetti Franco, Spitzname Bibi. Eine kleine, hübsche Sizilianerin. Sie ist meine beste Freundin. Bianca leitet die Bibliothek in unserer Vertretung in Ost-Berlin.«
»Sie wohnt auch in West-Berlin?«
»Ja, sie fährt jeden Tag nach Ost-Berlin zur Arbeit.«
»Als Diplomatin?«
»Nein, sie ist eine einfache Angestellte.«
»Und wenn man sie kontrolliert und die Pläne findet?«
»Manchmal fährt Bianca mit Marc in seinem Wagen mit. Marc ist Diplomat. Sein Wagen darf an der Grenze nicht angetastet werden.«
»Und wenn sie Marc von der geheimen Post erzählt?«
»Bibi ist meine Freundin und nicht seine.«
»Wenn sie oft zusammen zur Arbeit fahren, haben sie möglicherweise ein enges Verhältnis.«
»Marc ist sehr reserviert und distanziert. Der würde nie eine andere Frau an sich ranlassen.«
»Ist deine Freundin Bibi sauber?«
»Meines Wissens hat sie nie mit der Stasi oder dergleichen zu tun gehabt. Du kannst die Pläne entweder bei ihr in der Botschaft abholen oder dich mit ihr in der Stadt treffen.«
Die Wiese riecht nach Frühling. Jonas streichelt Julias Nacken. Sie liegen so dicht beieinander, so dass sie nur zu flüstern brauchen.
»Sollte ich das in Anspruch nehmen wollen, Julia, wie kann ich es dir per Telefon mitteilen?«
»Sag einfach ...« Julia überlegt. Vom Hradschin läuten die Kirchenglocken. »Sag einfach, ich soll dir die Notenblätter schicken.«
Kapitel 17
»Nehmen Sie doch Platz, Genosse Jagovich. Ich habe uns ein kleines Frühstück bringen lassen.«
Oberleutnant Rainer Zessel begrüßt seinen Gast mit Handschlag in seinem Dienstzimmer der Rostocker MfS-Bezirksverwaltung.
»Sie haben es richtig gemütlich hier«, sagt Jagovich. Er schreitet durch den Raum, nimmt nicht am gedeckten Konferenztisch Platz, sondern wirft einen Blick aus dem Fenster.
»Endlich wird es Frühling. Die Wallanlagen sind schon richtig grün.«
»Haben Sie auch einen Garten, Genosse Jagovich?« »Früher, als ich noch eine Familie hatte. Aber das ist lange her.« »Oh, entschuldigen Sie bitte. Das wusste ich nicht.« »Darf ich bei Ihnen rauchen, Genosse Zessel?« »Aber selbstverständlich.« Zessel drückt einen Klingelknopf unter seiner Schreibtischplatte. Eine junge Frau mit kurzem Haar erscheint. »Einen Aschenbecher«, befiehlt Zessel.
Rainer Zessel und Igor Jagovich haben beide den Dienstrang eines Oberleutnants. Der vierzig Jahre alte Zessel ist auf direktem Weg über Arbeiter- und Bauern-Fakultät, FDJ-Hochschule, Parteihochschule und MfS-Hochschule zum Chef der Spionageabwehr in Rostock aufgestiegen. Ein bestens geschulter politischer Kader mit erstklassigen Aufstiegschancen. Er kleidet sich vornehm und elegant, aber ausschließlich mit Konfektion aus DDR-Produktion.
Der fünf Jahre ältere Jagovich dagegen trägt Levis-Jeans und Lederjacke. Von ihm weiß man sehr wenig in der MfS-Bezirks-verwaltung Rostock. Bekannt ist lediglich, dass er lange in der Sowjetunion gelebt hat, die Kaderschmiede des KGB besucht und längere Zeit als sogenannter Kundschafter im westlichen Ausland operiert hat.
Befehlsmäßig untersteht Jagovich direkt der Arbeitsgruppe des Ministers in Berlin. In dieser Sonderabteilung von Stasi-Chef Mielke werden Fälle von außergewöhnlicher politischer Relevanz bearbeitet. Worum es konkret geht, erfährt niemand - nicht einmal innerhalb des MfS. Ein Mann wie Jagovich ist selbst in einer MfS-Bezirksverwaltung ein geheimnisumwobener Unbekannter, dessen Aura bei manchem jungen Genossen den Traum vom geheimen Kundschafter an der unsichtbaren Front aufrecht hält. Jagovich hat
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