Nur Engel fliegen hoeher
Richtung Dresden gefahren.«
»Und wie durch ein Wunder taucht er dann bei der verdächtigen Julia McCandle in Prag auf?«
»Wir sind nicht hundertprozentig sicher, dass er es war, aber die Erkenntnisse der Observierung deuten darauf hin.«
»Wie ist diese Julia in die CSSR eingereist? Mit dem Auto im Transit?«
»Nein. Sie kam mit einem Flugzeug aus München. Ihr Flugticket war für die Strecke Berlin-Tempelhof - München - Prag ausgestellt.«
»Das hört sich sehr interessant an.«
»Sie meinen, weil sie nicht im Transit fuhr?«
»Nein. Die Lady ist vorsätzlich einen Umweg geflogen. Jeder normale West-Berliner fliegt diese Strecke mit der Interflug ab Schönefeld. Das geht viel schneller und kostet weniger als die Hälfte.«
»Vielleicht flog die Interflug an dem Tag nicht.«
»Die Interflug startet täglich von Berlin-Schönefeld nach Prag. Und von West-Berlin gibt es einen Shuttle-Bus zum Flughafen. Das kann in jedem Reisebüro am Kudamm gebucht werden und ist spottbillig. Offensichtlich wollte Julia McCandle ihr wahres Reiseziel geheim halten und die Spur verwischen. Fragt sich nur, vor wem.«
Oberleutnant Jagovich wischt sich mit einer Serviette den Mund ab und nimmt eine neue HB aus der Schachtel.
»Genosse Zessel, was lässt Sie daran zweifeln, dass der Mann in ihrem Hotelzimmer Jonas Maler war?«
»Wir haben die Fotos der tschechischen Genossen der Abteilung Interhotel-Observierung ausgewertet. Auf den teilweise sehr dunklen Bildern ist ein junges Paar beim Geschlechtsverkehr zu sehen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass die Fotos eher von künstlerischem Wert sind?«
Beide lachen. Zessel gießt Kaffee nach.
»Genosse Jagovich, wir können eindeutig die Verdächtige Julia McCandle identifizieren. Doch der Mann, der es mit ihr treibt, ist entweder von ihr beschattet oder zeigt uns sein Hinterteil.«
»Mehr haben Sie nicht zu bieten?«
»Wir haben das Bettlaken sichergestellt. Die darauf befindlichen Sperma-Spuren und Schamhaare werden zurzeit vom Zentralen Medizinischen Dienst des MfS in Bad Saarow mikrobiologisch untersucht. Wir wissen aber bereits, dass die Schamhaare einer männlichen und einer weiblichen Person zuzuordnen sind.«
»Das ist meistens so beim Geschlechtsverkehr.«
Beide lachen wieder.
»Weiteres relevantes Material?«
»Operativ wenig verwertbar sind die akustischen Aufnahmen.«
»Wann und wo wurde aufgenommen?«
»Unsere tschechischen Genossen haben auf unsere Weisung Abhörmaßnahmen im Hotel vorgenommen. Dummerweise war das Mikrofon in einem Radio eingebaut, und die Verdächtigen haben längere Zeit Musik gehört. Anfangs nur Liebesgestöhn und dann Blasmusik. Die Mitschnitte sind operativ nicht zu verwerten.«
»Und die Außenaufnahmen?«
»Unsere tschechischen Genossen hatten sich als TV-Team des staatlichen tschechischen Fernsehens getarnt. Doch als das Richtmikrofon eingesetzt wurde, standen die beiden Verdächtigen unmittelbar neben Straßenmusikern. Es gibt nur Wortfetzen.«
»Na, dann existiert doch aber ein Video. Unsere Experten können das Gespräch von den Lippen ablesen.«
»Leider nicht, Genosse Jagovich. Nur der Tontechniker hat aufgenommen. Der Kameramann tat nur so als ob, weil er keinen Auftrag zum Filmen hatte. Außerdem besaß er keine Kassette, weil es die nur im Intershop gibt.«
»Idioten! Wenn man nicht alles selber macht.«
»Wo der Geist des Soldaten Schwejk lebt, können wir keine militärische Disziplin erwarten.«
»Die Verdächtigen Maler und McCandle betreiben Konspiration. Das macht die Sache spannend.« Jagovich nimmt noch eine Zigarette, steckt sie in den Mund, zündet sie aber nicht an.
»Genosse Jagovich, die wenigen verwertbaren Wortfetzen könnten auf den Verdacht einer Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt schließen lassen.«
Jagovich hält ein Streichholz an die Zigarette und nimmt genüsslich den ersten Zug. »So, so, meinen Sie ...«
»Es konnten Wortfetzen wie >Diplomatenpass< und >Diplo-matenauto< herausgefiltert werden.«
»Genosse Zessel, gehen Sie davon aus, dass der Kerl mit ihr im Bett war - hundertprozentig!«
»Sie meinen, dass die beiden seine Republikflucht planen?«
Jagovich, paffend, mit der Kippe im Mundwinkel: »Ja, das liegt doch auf der Hand.«
»Damit wäre sein Register voll: illegaler Grenzübertritt, illegale Kontaktaufnahme zu feindlichen Mächten, Verdacht staatsfeindlicher Agententätigkeit, Vorbereitung zur Republikflucht-das dürfte für eine zweistellige Zahl an Jahren
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