Nur für eine Stunde?
besaß.
9. KAPITEL
“Wie sehe ich aus, Lucy?”, fragte Martha.
Lucy schielte von dem Sockenknäuel hoch, an dem sie hingebungsvoll nagte. Aber sie schien ziemlich unbeeindruckt zu sein, Martha in einem eleganten schwarzen Cocktailkleid zu sehen – die Socke interessierte sie weit mehr.
Martha wusste nicht, was in sie gefahren war. Das Kleid hatte im Schaufenster einer Boutique in der Main Street gehangen und sie wie eine teuflische Verführung angelockt, ihr zugeflüstert, in das Geschäft zu gehen. Sie hatte gehofft, das Kleid würde die falsche Größe haben, aber als sie es anprobierte, saß es wie maßgeschneidert – vom Dekolleté bis zum weich schwingenden Rock.
Es war ein viel zu edles Kleid, aber da sie jetzt einen Managerposten bekleidete, war es vielleicht angemessen, wenn sie es zu der Firmenparty trug. Sie wollte lieber nicht daran denken, ob sie eine angemessene Unterhaltung mit Blake zustande bringen würde. Aber im Grunde spielte es keine Rolle. Einen ganzen Monat lang hatten sie nur belanglose Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht und ansonsten über Geschäftliches geredet. Small Talk konnte man auch auf einer Weihnachtsfeier machen.
Sie musste zugeben, dass sie von seinem professionellen Können beeindruckt war. Auf den wöchentlichen Meetings war er stets voll interessanter Ideen, dynamisch und innovativ – eine frappierende Veränderung gegenüber seiner früheren Lässigkeit, die manchmal an Passivität grenzte. Sie wusste, dass Blake klug war, aber in letzter Zeit schien er es darauf anzulegen, seine Intelligenz bei jeder Gelegenheit zu demonstrieren.
Sie hatte schon immer eine Schwäche für kluge Männer gehabt, also war es nicht verwunderlich, dass sie Blake bewunderte. Nur weil ihr Puls sich beschleunigte, wenn er ihr Büro betrat, nur weil ihr schwindelig wurde, wenn sie in seine Augen sah, nur weil sie ab und zu – genauer, jede Nacht, wenn sie ins Bett ging – sehnsuchtsvoll an seine Umarmungen dachte, bedeutete das nicht, dass große Gefühle im Spiel waren.
Es war ein Traum. Nichts, was sie sich für ihr Leben wünschte. Nichts, worauf sie zählen konnte. Nichts Dauerhaftes.
Trotzdem schadete es nicht, auf der Party hübsch auszusehen. Sie konnte sogar ohne Vermessenheit sagen, dass sie toll aussah. Lucys Gleichgültigkeit bedeutete nichts – sie hatte keinen Geschmack.
“Ich gehe jetzt”, sagte sie zu Lucy, während sie in ihren Mantel schlüpfte. “Du hast Wasser und Futter, und ich erwarte von dir, dass du dich benimmst. Bis nachher.” Lucy hob kurz den Kopf und setzte ihren verbissenen Kampf mit der Socke fort.
Martha stieg in ihren Wagen, fuhr gemütlich am Meer entlang und dann durch die weihnachtlich geschmückten Straßen der Stadt. Ja, dachte sie, ich sehe verdammt gut aus heute Abend. Sie würde auf der Party glänzen und jede Minute genießen. Sie hatte in den letzten sieben Wochen zu einem großen Firmenerfolg beigetragen, sie war befördert worden, sie hatte mit Blake geschlafen, und das ohne Selbstzerstörung, sie war über ihre Verknalltheit fast hinweg, hatte ihre Weihnachtseinkäufe erledigt und ihr Haus mit Tannenzweigen und Kerzen geschmückt. Sie hatte ein extravagantes Kleid gekauft.
Und jetzt war Party-Time.
Blake stand in der Nähe der Bar und hoffte, dass er in seinem nagelneuen dunkelgrauen Anzug nicht zu steif aussah. Er hatte das gute Stück in letzter Minute gekauft, zusammen mit dem türkisfarbenen Hemd und der Seidenkrawatte. Das Hemd hatte er gewählt, weil es ihn nicht langweilte, und noch weniger langweilig war der Schlips, eine abstrakt gemusterte Kreation in allen Regenbogenfarben. Er war kein Schlipstyp, aber in seiner Position als Fruchtsaftmagnat musste er sich wohl seiner Rolle entsprechend verkleiden – jedenfalls gelegentlich.
Er ließ den Blick über das lange Buffet und die mit Kerzengestecken versehenen runden Tische wandern, um die jeweils sechs Stühle gruppiert waren. Er begutachtete die frei stehende Bar, die glänzende Tanzfläche und beobachtete das musikalische Duo, das einen beachtlichen Sound aus einer Gitarre und einem elektronischen Keyboard herausholte.
Er lächelte Steven und seiner Frau zu, die gerade den Saal betraten. Ungefähr dreißig Personen waren schon da, und er erwartete noch mindestens die gleiche Anzahl. Viele seiner Angestellten kamen mit ihren Partnern – er selbst war ohne Begleitung gekommen und hatte auch einen triftigen Grund gefunden. Keine Begleiterin, das bedeutete keine neugierigen
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