Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur für Schokolade

Nur für Schokolade

Titel: Nur für Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
Vom Netzwerk:
manchmal mehrere. Er gesteht und gesteht und kein Ende ist abzusehen.

    54
    Der Staatsanwalt ist inzwischen besessen von diesem Fall, immer mehr Greueltaten ordnet er Leszek zu. Immer mehr kommt er zu der Einsicht, daß dieser Mann eine grauenhafte Blutspur durch ganz Polen legte. Vom Ostseestrand bei Danzig bis nach Niederschlesien läßt sich inzwischen seine Spur verfolgen. Die Zahl der Opfer ist zu diesem Zeitpunkt völlig unklar. Unklar ist auch, wie es diesem Mann gelungen ist, über zehn Jahre lang unbehelligt sein Unwesen zu treiben – und das fragen sich auch, nachdem sich die Medien eingeschaltet haben, die Bürger des Landes.
    Leszek aber wird immer bockiger und anspruchsvoller.
    Längst haben ihn seine Mithäftlinge aufgeklärt, daß es nicht gut sei, alles zuzugeben, auch nicht für ein paar Tafeln Schokolade. Und so kommt der Tag, an dem er gegenüber dem Staatsanwalt sagt, daß er nichts mehr gestehen werde. »Auch nicht für Schokolade.«
    Für den Staatsanwalt zeichnet sich ab, daß es noch viel zu ermitteln gibt in Sachen Leszek Pekalski. Er vermutet, daß noch viele Opfer unter der Erde liegen, von denen man noch gar nichts weiß und deren Verschwinden ohne den Täter wohl nie aufgeklärt werden können. Immer wieder stellt er sich die bange Frage, wie dem beizukommen wäre – ohne die Mithilfe von Leszek? Dieser schweigt, spricht nur noch mit seinen Mithäftlingen, am liebsten mit denjenigen, die schon viele Jahre hier einsitzen. Er lernt, hat sich schnell angepaßt an das Leben im Gefängnis. Als er einmal den Mord an einem Kind gestanden hatte, wurde er von seinen Mithäftlingen mit dem Tode bedroht. Selbstverständlich widerruft er dieses
    Mordgeständnis sofort; nur so kann er auf die Gnade der Mitgefangenen hoffen.
    Wären die Wärter nach seinem Mordgeständnis an diesem Säugling nicht gewesen, man hätte ihn längst getötet. Längst wäre die »Anstaltsmüllabfuhr« gekommen, wie man solche schnell ausgeführten Kommandos nennt, und hätte ihn, den 55
    »Müll«, beseitigt. Doch auch die Staatsanwaltschaft kennt die Praktiken der Häftlinge und gibt entsprechende Anweisungen, Leszek besonders im Auge zu behalten. Zunächst läßt man das Gerücht verbreiten, daß man sich offensichtlich geirrt hat und Leszek gar nicht der Mörder dieses Kindes sein könne.
    Weiterhin wird eine Sperre des gemeinsamen Hofganges
    angeordnet sowie eine vorläufige Isolation vor den Mithäftlingen. Diesem Umstand hat es Leszek höchstwahrscheinlich zu verdanken, daß er noch lebt.

    Eingesperrt mit einem Mörder
    Am 13. Februar 1993, einen Tag nach Leszeks 27. Geburtstag, öffnet sich die schwere Holztür zu Zelle 53 des Gefängnisses in Slupsk. Ein Mitgefangener wird Leszek als neuer Zellengenosse vorgestellt. Sein Name ist Roman Z., ein über 50jähriger, sehr gepflegter Mann. Schlank, nicht allzu groß, eine beginnende Glatze verlängert sein Gesicht. Wenn er seine Drahtbrille aufsetzt, sieht er wie ein Professor, Anwalt oder Arzt aus. Für Leszek ist er ein Mann, dem man vertrauen kann.
    Die Brille, die ihm einen intelligenten Eindruck verleiht, benötigt Roman Z., um Kleingedrucktes besser lesen zu können. Auch beim Fernsehen trägt er sie, um besondere Details bei Erotikfilmen genauer zu betrachten. Leszek ist begeistert, Gesellschaft in seiner einsamen Zelle zu bekommen, die er seit dem 17. Dezember 1992 bewohnt.
    Zu diesem Zeitpunkt weiß noch niemand, wer Pekalski
    wirklich ist und was er auf dem Gewissen hat. Roman hat lediglich erfahren, daß er mit einem Vergewaltiger auf eine Zelle kommen soll. Jahre danach erzählt er: »Es war mir egal, mit wem ich sitzen sollte, viel zu sehr hat mich meine Inhaftierung mitgenommen. Ich dachte an meine Familie und daran, was sie ohne mich tun würden.«

    56

    57
    Doch das Zusammensein der beiden ist nur von kurzer Dauer
    – ganze drei Tage, dann werden sie auf Wunsch Leszeks getrennt. Er hat sich bei den Wärtern beschwert, daß er von Roman ständig belästigt werde. Durch die dauernden Fragen nach den Straftaten fühle sich Leszek »gestört und gequält«, wie er selbst sagt. Dabei will Roman ihm nur helfen, da er der Meinung ist, sich in der Juristerei gut auszukennen. Für andere Gefangene hat er schon Veränderungen erreichen können, Hafterleichterungen und dergleichen, für sich selbst allerdings war er weniger erfolgreich.
    So kommt es, daß Leszek wieder allein in seiner Zelle ist und tun und lassen kann, was er will. Zumindest für einige Monate,

Weitere Kostenlose Bücher