Nur für Schokolade
genau bis zum Juni 1993. Die Polizei ist am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt, seitdem Leszek beharrlich schweigt. Wie könnte man ihn wieder zu Aussagen bewegen?
Viele Möglichkeiten werden genauer analysiert, doch nichts bringt die Ermittlungen wirklich weiter.
Da erfährt die Oberstaatsanwaltschaft, daß sich bei der Polizei ein Mithäftling gemeldet hat. der von sich behauptet, er könne aus Leszek »mehr herausholen, als es der Polizei jemals möglich wäre«.
Der Oberstaatsanwalt sieht darin eine Möglichkeit, Leszek Pekalski überführen zu können und läßt sich sämtliche Ermittlungsergebnisse bringen. Der Staatsanwalt, der die Ermittlungen bisher geführt hat, wird von seiner Aufgabe entbunden. Dem Oberstaatsanwalt wird die Aufgabe
übertragen, allein den Fall Leszek Pekalski zu behandeln. Der andere versteht die Welt nicht mehr. Er, der diesen Mann überführt und den Täter wahrscheinlich unzähliger Morde hinter Schloß und Riegel gebracht hat, muß den Fall abgeben –
einen Fall, der für ihn sicher mit einem beruflichen Aufstieg verknüpft gewesen wäre. Er weiß: ganz Polen schaut auf den Mann, den es zu überführen gilt. Selbst in Warschau, der Hauptstadt, läßt man sich inzwischen täglich über die 58
Ermittlungen unterrichten.
Das Justizministerium beschäftigt sich ebenfalls mit dem Täter. Man befürchtet, einem der größten Massenmörder der Geschichte auf der Spur zu sein. An einem Dienstag erhält der Staatsanwalt dann die offizielle behördliche Mitteilung, daß die Strafsache Leszek Pekalski an seinen Kollegen übertragen wurde. Er nimmt sich für einige Tage Urlaub und will über die neue Situation nachdenken. Immer steht ihm vor Augen, daß sein Bild und sein Name in allen Zeitungen war. Er überlegt, wie die Menschen – und vor allem die Kollegen – über ihn urteilen werden. Würden sie die Entziehung des Falles nicht als Ausdruck des Zweifels an seiner Sachkompetenz auffassen und ihn verachten? Was wird seine Familie denken? Wenige Tage später liegt er auf dem Friedhof von Slupsk. Er hat sich erschossen.
Leszeks neuer Zellengenosse ist wieder Roman Z» Die
Polizei erhält Anweisung, sich unverzüglich mit dem Spion in Verbindung zu setzen und ihm auch – so behauptet er
jedenfalls – einiges in Aussicht zu stellen für den Fall, daß er etwas erreichen sollte. Wieviel man ihm verspricht, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Fest steht, daß sich die Polizei mit Roman zusammensetzte und man sich einig wurde, daß er für die Polizei tätig werden soll. Die Polizei versichert Roman auch, wie dankbar man anderenorts sei, wenn er dazu beitragen könnte, die Missetaten des »Ungeheuers« Leszek aufzudecken.
Roman muß ein Protokoll unterschreiben, daß er für die Polizei unter dem Decknamen »Robert«, den er sich selbst aussuchte, arbeiten würde. Doch Roman verlangt, daß dieser
»Vertrag« eine Einschränkung beinhalten müsse. Er besteht auf einen Passus in der Vereinbarung, der klarstellt, daß er nur im Falle Leszek Pekalski behilflich sein wird, nicht in anderen Fällen. Er will damit absichern, daß er nicht zum Dauerspion im Dienst des Gefängnisses wird, wie er später aussagt. Diese 59
Vereinbarung wird geschlossen und von den Beteiligten unterzeichnet. Roman soll unverzüglich eine Ausfertigung erhalten, nur ist just in diesem Augenblick der Fotokopierer defekt. So zumindest die Darstellung Romans.
Dann wird geklärt, wie der Austausch der Informationen zwischen ihm und der Polizei zu erfolgen hat. Roman wird angewiesen, sich im Falle einer Neuigkeit mit dem
Gefangenenbetreuer der Anstalt in Verbindung zu setzen. Man greift auf ein altes, uraltes Mittel zurück: Einschleusung eines Spitzels, dem Leszek vertrauen und die eigenen Taten erzählen soll. Die Polizei ist sich klar, daß dafür nur ein Mitgefangener in Frage kommt, dem auch die anderen Häftlinge vertrauen.
Und der war in Roman Z. gefunden, der eine Gefängnisstrafe verbüßen muß, weil er – wieder einmal – gestohlene Autos vermittelt hat. In den Monaten zuvor saß er in verschiedenen Zellen, und da er sich in juristischen Dingen etwas auskennt, macht er sich beliebt bei den Mithäftlingen. Für jeden Gefangenen hat er meist einen guten Rat anzubieten. Er schreibt Anträge, Erklärungen, sogar Briefe der Mithäftlinge an deren Frauen. Man weiß: Er hat selbst schon so oft eingesessen und kennt alle Schliche, um Vorteile für das Leben im Knast zu erreichen.
Auch Leszek hat
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