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Nur für Schokolade

Nur für Schokolade

Titel: Nur für Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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Gefängnis.
    Am Ende des Gespräches wird Pekalski immer unruhiger. Er schaut aus dem Fenster und fragt ständig, wie spät es sei. Von einer Minute zur anderen will er zurück in seine Zelle, weil es bald Mittagessen gebe und er schon sehr hungrig sei. Als er geht, drückt er die Einkaufstüte mit den mitgebrachten Geschenken an sich, lächelt die Wächter an und zeigt ihnen die mitgebrachten Sexhefte. Am Ende des Gespräches sagt der Wärter der Anstalt: »Jetzt wird er ständig onanieren. Da werden ihn auch seine Pillen nicht mehr bremsen können.«

    Der Prozeß geht weiter
    Nach den Gerichtsferien bleiben der Staatsanwaltschaft noch zwei Monate, in denen sie die Schuld des Angeklagten
    nachzuweisen hat – sollte ihr dies bis zum 16. Dezember 1996
    nicht gelingen, kommt Leszek Pekalski frei. Denn er hat dann vier Jahre Untersuchungshaft verbüßt und das Gesetz in Polen schreibt vor, daß ein Häftling ohne Verurteilung nicht länger in 178
    Haft genommen werden kann. Nun gilt es vor allem für den Staatsanwalt, dem Gericht definitive Beweise und glaubhafte Zeugen zu präsentieren – denn was bisher vor Gericht vorgebracht werden konnte, würde nicht unbedingt zu einer Verurteilung Leszeks ausreichen.
    Viel zu vage waren die Aussagen, was dadurch erklärbar ist, daß die fraglichen Daten für viele Zeugen schon zu lange Zeit zurückliegen. Auch hat sich der Angeklagte seit Haftbeginn enorm verändert. Er ist nicht mehr der hagere junge Mann, der er einmal war, als er durch das Land zog: er wirkt aufgedunsen und behäbig, aber gepflegt, da er im Gefängnis viel Zeit für sein Äußerliches verwendet.
    Immer wieder muß der Richter die Zeugen während der
    Befragungen auf die Tragweite eventueller Falschaussagen hinweisen. Er betont immer wieder, daß es unter Umständen um das Leben eines Menschen ginge. Wer von den Zeugen hat ihn aus der Nähe gesehen? Die einzigen Menschen, die Leszek als Täter identifizieren könnten, sind vielleicht die Toten.
    Die Staatsanwaltschaft stützt seine Hoffnungen deshalb auf die Aussagen der Zeugin Janina C., die Freundin des Opfers Sylwia R. Diese Zeugin ging mit Sylwia einen Tag vor ihrem Tod mit Leszek an den Waldrand, an dem Sylwia ermordet wurde. Und da war noch der Bekannte von Anika C., der das Mädchen allein nach Hause schickte, weil sie von ihm nichts wissen wollte. Der Staatsanwalt weiß, daß dieser, nach der Verabschiedung, einen Mann gesehen hat, der mit Anika auf der Straße gegangen ist. Eine Stunde, nachdem sie sich getrennt hatten, wurde Anika, so die Gerichtsmediziner, getötet.
    Werden die schriftlichen und mündlichen Geständnisse dem Gericht zur Verurteilung ausreichen, wo doch Leszek sie nun vehement widerruft und deren Richtigkeit bestreitet?
    Viele Prozeßbeobachter fragen sich, warum man den Opfern keine Spermaproben entnommen hat – entsprechende Analyse-möglichkeiten gab es zu diesem Zeitpunkt auch in Polen. Wie 179
    ist es zudem möglich, daß Beweise, wie die Haare, die auf der Mütze bei einem Opfer gefunden wurden und die nur vom Täter stammen konnten, verschwunden sind? Warum hat die Staatsanwaltschaft nicht die Arbeiten der Polizei überprüft, nie auf die schlampige Untersuchung hingewiesen? Warum hat die Gerichtsmedizin nicht detailliert Aufträge (z. B. die Sicherung der Spermien, Untersuchungen der Fingernägel der Opfer nach eventuellen Hautfetzen des Täters, Textilproben) erhalten und die Ergebnisse gesichert? Ein Opfer wurde im hohen Schnee gefunden, der Täter hatte die Frau über fünfzig Meter durch den Schnee geschleift. Es wurden nicht einmal Abdrücke von den Schuhsohlen gemacht. Leszek Pekalski trug jahrelang dieselben Schuhe, die er von der Caritas erhielt.
    So wird Zeuge um Zeuge vernommen, doch niemand trifft Aussagen, die dem Gericht zur Wahrheitsfindung nützlich sein könnten.
    Doch dies alles soll sich an dem Tag ändern, als man die Freundin Sylwias, Janina C., in den Zeugenstand ruft. Dem Staatsanwalt sind die hohen Erwartungen anzusehen, mit denen er den Gerichtssaal betritt. Aufgeregt blättert er in seinen Akten und blickt siegessicher zu den Verteidigern Leszeks. »Bitte rufen Sie die Zeugin Janina C. in den Saal«, bittet der Vorsitzende die Protokollführerin. Nach der Überprüfung der Personalien der Zeugin wird sie nochmals ermahnt, daß sie vor Gericht nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen habe.
    »Sie waren eine Kollegin und Freundin von Sylwia R., ist das richtig?« beginnt der Vorsitzende

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