Nur für Schokolade
oft über Stunden hinweg auf seinem Bett und starrt zur Decke. Er denkt dann wohl darüber nach, wie er sich herausreden könnte, wenn er wieder einmal etwas gestanden hat. Im Gegensatz zu seinen Verhältnissen vor der Inhaftierung geht es ihm hier sehr gut. Er hat Kleidung, er hat zu essen, und er hat ein Bett. Er braucht nicht mehr in der Kälte im Freien 175
übernachten, hier ist es warm und er hat Licht.«
Zeitweise interessieren sich vor allem skandinavische Journalisten für den Fall Leszek Pekalski – und er freut sich über deren Besuch, denn damit erhält er wieder Nachschub an Schokolade und anderen Dingen. Da er aber nicht über seine Taten spricht, sondern nur über seine mittlerweile professionell einstudierten Jugenderlebnisse, verlieren die Reporter schnell das Interesse an ihm. Die Besuche werden immer weniger. So verwendet er noch mehr Zeit damit, sich auf den Fortgang des Prozesses vorzubereiten. Die Beamten, die sein eifriges Treiben bemerken, lachen über ihn, denn Leszek Pekalski, er, der nicht einmal einen richtigen Schulabschluß hat, will sich vorbereiten auf komplizierte juristische Dinge. Dabei haben alle Prozeßbeteiligten erlebt, wie die von der Staatsanwaltschaft zitierten Zeugen immer häufiger ihre eigenen Aussagen wieder abschwächten. »Vielleicht«, »weiß ich nicht mehr genau«, »da war es zu dunkel« und »es ist alles schon zu lange her«. Mit diesen Zeugen wird der Staatsanwalt nicht unbedingt erreichen, daß Leszek Pekalski überführt werden kann.
Die Wochen und Monate vergehen, und Leszek freut sich auf die Fortsetzung des Prozesses. Seine Hoffnung, noch einmal psychiatrisch untersucht zu werden, hat sich allerdings nicht erfüllt.
Kurz vor den Gerichtsferien gibt er ein letztes Interview; außer Schokolade will er diesmal zusätzlich Briefmarken und Erotikhefte.
Frage: »Leszek, wozu brauchen Sie die Briefmarken?«
Leszek: »Ich werde Briefe schreiben.«
Frage: »Schon wieder Beschwerden über die Beamten der Polizei und die Wärter?«
Leszek: »Vielleicht schreibe ich meiner Schwester Joanna, oder meinem Onkel Bogdan.«
Frage: »Ihr Onkel Bogdan will ja nichts mehr mit Ihnen zu tun haben, wie er in der Verhandlung sagte?«
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Leszek: »Ich weiß, aber ich verstehe nicht warum. Auch weiß ich nicht, warum meine Schwester nichts mehr von mir wissen will.«
Frage: »War Ihre Schwester bei Ihnen im Gefängnis, hat sie Sie einmal besucht in der langen Zeit?«
Leszek: »Nein, nicht ein einziges Mal.«
Frage: »Sie haben Ihre Schwester im Gerichtssaal gesehen?«
Leszek: »Ja, aber sie sagte nicht viel und ging wieder. Ich wollte sie sprechen, aber sie sah mich nicht einmal an.«
Frage: »Was meinen Sie: warum?«
Leszek: »Ich weiß es nicht, vielleicht weil ich so vieler Morde angeklagt bin.«
Frage: »Kann man daraus schließen, daß sie der Anklageschrift glaubt?«
Leszek: »Wahrscheinlich.«
Frage: »Die Ihnen am nächsten stehende Frau, Ihre
Zwillingsschwester glaubt, obwohl sie Sie am besten kennt, daß Sie ein Mörder sind. Was sagen Sie dazu?«
Leszek: »Vielleicht glaubt sie das, aber ich habe niemanden getötet. Wenn ich wieder frei bin, werde ich zu ihr gehen, vielleicht wird sie ja dann mit mir sprechen wollen.«
Frage: »Und zu der Frau, bei der Sie in Untermiete gewohnt haben?«
Leszek: »Zur Oma werde ich auch hingehen und sie
besuchen. Sie sagte in meiner Sache aus und was sie sagte, da war ich sehr zufrieden darüber. Oma hat wirklich die Wahrheit gesagt, daß meine Kleidung niemals mit Blut verschmiert war.
Aber gelogen hat sie, als sie sagte, daß ich stinkfaul sei.«
Frage: »Sind Sie nicht faul?«
Leszek: »Nein, denn ich habe in der Grube gearbeitet.«
Frage: »Sie haben aber der Oma niemals geholfen, wie sie sagt?«
Leszek: »Doch, einmal habe ich ihr geholfen, die Kohlen in den Keller zu tragen. Und im Garten habe ich auch
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mitgeholten.«
Frage: »Sie sagt aber, daß Sie ihr nie geholfen haben.«
Leszek: »Deswegen lügt sie ja auch.«
Frage: »Hat Sie die Oma je im Gefängnis besucht?«
Leszek: »Nein.«
Frage: »Und der Onkel?«
Leszek: »Nicht ein einziges Mal.«
Frage: »Wissen Sie nicht, warum?«
Leszek: »Nein. Genauso wenig weiß ich über meinen
Stiefbruder.«
Man erzählt ihm, daß sein Stiefbruder selbst Probleme mit der Justiz habe. Dieser Stiefbruder, ein Sohn des leiblichen Vaters von Leszek, sei einer gemeinschaftlich begangenen Vergewaltigung beschuldigt und befinde sich ebenfalls im
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