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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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beizustehen, wenn Sie das möchte?›
    ‹Ich vermute, Frau Sommerhalt ist nicht zu Hause, sondern bei ihrem Mann.›
    ‹Das ist gut›, sagte Albert.
    ‹Machen Sie’s gut›, sagte Gassmann.
    Albert schloss leise die Tür, er zitterte.

    Fünf vor vier.

9 Völkerball
    Es war vier Uhr, als ich erwachte, elfter Zwölfter, ich stand auf und sah aus dem Fenster, es schneite nicht mehr. Ich stand am Fenster, benommen und schlecht gelaunt, und dachte an den Traum, den ich geträumt hatte. Ich sitze in einem Café, am Nebentisch der Scheidungsrichter. Ich biete ihm meinen Zucker an. Er sagt, das dürfe er nicht, meinen Zucker annehmen. Dann sagt er, er sei, anders als ich vermute, nicht Richter, schon gar nicht mein Scheidungsrichter, sondern der einzige Überlebende einer Bomberbesatzung, abgeschossen im neusten Krieg. Brennend, heulend sei sein Bomber in einen Hühnerhof gefallen, und die Hühner, federloses hungriges Vieh, hätten sich auf die Zähne seiner toten Kameraden gestürzt, weil sie die Zähne für Maiskörner hielten. Ich setzte mich an meinen Tisch, zog einen Nachruf näher, es war Zeit, Licht zu machen.
    Ich machte Licht und dachte an meine Eltern, Dagmar und Albert Mangold-Schorff, die sich, als ich noch Kind war, oft gestritten hatten über die Zahl der Lampen, die man brennen lassen wollte, solange man in den Ferien war, brennende Lampen hielten Einbrecher fern. Mein Vater war für eine, die im Wohnzimmer, Richtung Gerhardgasse, eine, in Zeiten der Energienot, genüge durchaus,sagte mein Vater. Meine Mutter war für drei, im Wohnzimmer, Gerhardgasse, im Flur, Treppenhaus, in der Küche, Richtung Lukasweg und Grundstraße.
    Darüber stritten und schwiegen sie.
    Ich schwor mir, nie die Ehe meiner Eltern zu führen.
    Ich krümmte mich zu einem Nachruf, ein Automechaniker, ich las, überlegte und schrieb: Seine Leidenschaft galt allem, was Räder und Schläuche hatte. Nie genug bekam unser Vater vom Geruch der Motoren, nie genug von Öl und Schmiere.
    Mama, seltsam, hatte vor Monaten gebeten, ich möchte, wenn es so weit sei, ihren Nachruf schreiben, Alberts und ihren.
    Ich fragte, wie sie darauf komme, mich jetzt anzurufen und um ihren Nachruf zu bitten.
    Mutter lachte.

    Lautlos ging Albert in die Küche zurück, er zog die Schlüssel aus der Hosentasche, ging zur Anrichte und legte sie in die Schale, die ihm Dagmar vor Jahren gekauft hatte, aus Freude darüber, dass in seinem Hoden kein Krebs war, nur ein Gewächs aus Fett und Wasser. Albert trat ans Fenster, es schneite nicht mehr.

    Die Ärzte tun ihr Mögliches -

    Albert stand am Fenster zur Straße, er hob die rechte Hand und zupfte an den Brauen, links, rechts.
    Die Ärzte tun ihr Mögliches -
    Diesen Satz hat Paul oft gesagt. Die Ärzte tun ihr Mögliches, aber das reicht mir nicht -
    Zweimal hatte Paul im Krankenhaus gelegen, bereit für die Operation am kommenden Tag, zweimal war er geflohen, hatte, damit man seine Flucht erst am Morgen entdeckte, Zahnbürste, Kamm und Rasierzeug neben dem Bett gelassen.
    Die Ärzte tun ihr Mögliches, aber das reicht mir nicht, sagte Paul und schwieg.
    Außerdem soll man seine Frist nicht strecken, sagte er, wie man ein Messband nicht streckt oder guten Wein.
    Paul fragte: Albert, tust du mir einen Gefallen?
    Wenn ich kann, sagte Albert.
    Anna, als sie noch ins Gymnasium ging, vor zwanzig Jahren ungefähr, besaß ein Chemiebuch. Darin las ich oft. Und nun finde ich es nicht mehr. Simon, denke ich, hatte, als er am Gymnasium war, das gleiche Buch. Vielleicht findest du es, vielleicht leihst du es mir.
    Albert fand das Buch in Simons Zimmer.
    Ein Chemiebuch?, fragte Albert.
    Chemie interessiert mich, sagte Paul, mich interessiert, wie alles sich zusammenbraut.
    Sie saßen auf dem schmalen Balkon an der Rosenstraße zwanzig, es war Sommer, anderthalb Jahre vor Pauls Tod, man trank Rosé, aß harten Käse und Oliven.
    In letzter Zeit, sagte Paul, denke ich oft an Anna.
    Ja, sagte Albert.
    Ich verlor sie, als aus Ännchen Anna wurde, diesenSchritt, als aus Ännchen Anna wurde, habe ich verstolpert. Unter dem Strich war ich als Kleiderhändler besser denn als Vater, sagte Paul und trank Rosé.
    Man möchte halt gut sein, sagte Paul und kicherte.
    Sie schwiegen, aßen Käse und Oliven.
    Albert dachte: Paul rechnet ab, er zieht Bilanz.
    Gut ist man so gut, wie es geht, sagte Paul, eine hübsche Formel, die vieles entschuldigt, aber nicht alles. Ich hätte Anna, als sie im Gefängnis war, besuchen können, ich tat es

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