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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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nicht. Ich hätte ihr einen Brief schreiben können, ich tat es nicht. Anna war dreiundzwanzig, noch ein Kind. Vielleicht wäre manches besser gekommen, wenn ich sie im Gefängnis besucht hätte, wenigstens einmal, oder einen Brief geschrieben.
    Vergiss es, sagte Albert.
    Alles sei Vermutung, sagte Paul, Spekulation, und auf den obersten Sprossen der Spekulanten hockten die Psychiater und Psychologen, die Astrophysiker, die Theologen: Die Psychiker, die meinten, sie könnten begreifen, weshalb jemand sei, wie er sei, die Astrophysiker, die glaubten, sie könnten erklären, wie alles, was sei, entstand, und zuoberst die Theologen, die vorgäben zu wissen, weshalb alles entstand.
    Noch eine Flasche Rosé?, fragte Paul und lachte. Lieber nicht, sagte Albert.
    Doch, sagte Paul.

    Albert Mangold stand am Fenster zur Straße und hörte die Schritte seiner Frau.
    ‹Wo ist Anna?›, fragte er, den Rücken zu Dagmar gewandt.
    ‹In meinem Kleiderschrank.›
    ‹Jetzt weißt du es›, sagte Albert.
    ‹Warum hast du mir nichts gesagt?›, fragte Dagmar.
    ‹Wann denn? Wie denn?›
    Dagmar setzte sich auf das kurze schwarze Sofa, schob die Hände unter die Schenkel, um sie zu wärmen. Albert stand am Fenster.
    ‹Und was machen wir jetzt?›, fragte Dagmar.
    Albert hob die schmalen Schultern.
    ‹Sie ist wirklich in deinem Kleiderschrank?›
    ‹Das sagte ich eben.›
    ‹Das braucht sie nicht länger.›
    ‹Soll ich sie rufen?›
    ‹Ja›, sagte Albert.
    Dagmar drückte sich aus dem Sofa und sah zur Uhr, fünf Minuten vor halb fünf, sie ging ins Wohnzimmer, vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, Dagmar sah sich im Spiegel ihres Schranks, kratzte an der Tür.
    ‹Ich bin’s.›
    Sie öffnete die Tür, sah Anna Baumer, schmaler denn je, die rechte Hand im kleinen schwarzen Rucksack, Dagmar erschrak.
    ‹Komm›, sagte sie leise, ‹alles in Ordnung.›

    Um halb fünf Uhr, es dunkelte bereits, stellte ich den Fernseher an, ich langweilte mich, weite Teile des Landes lägen unter dreißig Zentimetern Schnee, Chaos aufSchiene und Straße, eine Sondersendung um halb fünf. Man zeigte rote Schneepflüge und blinkende Schneefräsen, die den Schnee in einem kräftigen Strahl an Mauern und Böschungen warfen, auf dem Südring um Lortzstadt lagen elf Autos ineinandergekeilt, nur Verletzte, zum Glück, in der Nacht, nach einer Pause am Abend, werde es wieder schneien, auch Glätte sei zu erwarten, demnach Vorsicht geboten. Dann war ein bisschen Krieg, ein bisschen Tennis in China, schließlich die Nachricht, der Friedhofswärter, den man heute Morgen im Friedhof von Aberwald-Lukas gefunden habe, niedergestreckt mit einem Schuss in den Bauch, sei seinen Verletzungen vor einer halben Stunde erlegen.
    Ich beschloss, meine Eltern anzurufen.

    Albert drehte sich zu Anna und sah ihr ins Gesicht, Anna hielt stand, Albert sah weg, ging einige Schritte, setzte sich an den Tisch.
    ‹Man hat mir die Schlüssel gebracht›, sagte er.
    ‹Ich gehe jetzt›, sagte Anna.
    ‹Bis es finster ist, sind Polizisten in der Gegend.›
    ‹Soll ich jetzt gehen?›
    ‹Was soll die Frage?›, sagte Albert, lauter als er wollte. Anna nahm die Hand aus dem Rucksack und zog langsam den Reißverschluss zu, der Reißverschluss klemmte, Anna zog, hin, her, der Verschluss klemmte, Anna hörte zu ziehen auf und setzte sich an den Tisch, warf, fast trotzig, ihr langes schwarzes Haar aus dem hellen Gesicht.
    ‹Tee oder Kaffee?›
    ‹Nichts›, sagte Anna.
    ‹Wein?›, fragte Albert.
    ‹Anna trinkt keinen Wein›, sagte Dagmar.
    Dagmar stand neben dem Kühlschrank und rauchte.

    Dieser verdammte Wasserhahn -

    Albert stand auf, ging zum Hahn und drehte kräftig daran, er ging zum Tisch, bucklig stand er am Tisch und bettete das Luftkissen von einer Seite auf die andere, setzte sich darauf. Dagmar hielt die Zigarette in den Wasserstrahl, Dagmar öffnete das Fach, in dem der Mülleimer stand, warf den Stummel hinein.

    ‹Was machen wir jetzt?›
    ‹Warten›, sagte Albert.
    ‹Ein Spiel›, sagte Dagmar.

    Was meine Mutter war:
    vermittelnd (bis zur Lächerlichkeit)
    großartig

    ‹Früher, als ihr noch ein Paar wart, du und Simon, früher spielten wir hier manchmal dieses Würfelspiel, Fang den Hut hieß es, wir nannten es Hütchenspiel. Jeder Spieler hatte drei oder vier Hütchen und versuchte, die Hütchen der anderen Spieler einzuholen, sie zu fangen. Wer am meisten Hütchen fing, hatte gewonnen, so war das, glaube ich.›
    ‹Ich erinnere mich nicht›, sagte

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