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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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mein Vater war:
    kleinlich
    verletzbar
    kein Brunnenvergifter

    Albert trat ans Fenster, verschränkte die Hände im Rücken.
    ‹Sind sie noch da?›
    ‹Ich weiß es nicht›, sagte Albert. ‹Zwei Leute schaufeln Schnee, wahrscheinlich Polizisten, als Straßenmeister getarnt.›
    ‹Ich mache mir einen Kaffee›, sagte Dagmar, ‹wer möchte Kaffee?›
    ‹Ein Glas Wasser, lieber›, sagte Anna, den Rucksack auf ihrem Schoß.
    ‹Wasser, ich auch›, sagte Albert.
    Dagmar öffnete den Schrank und nahm daraus zwei Gläser.

    ‹Vielleicht sind sie längst fort, und wir haben es nicht gemerkt›, sagte Dagmar.
    Dann müsste er ja seine Schlüssel wieder haben, sagte Albert, die Kirchenschlüssel.
    ‹Die sind nicht weg. So schnell geht das nicht›, sagte er.
    ‹Was?›, fragte Dagmar.
    ‹Die suchen, die fahnden. So schnell geht das nicht.›
    ‹Ja›, sagte Dagmar.
    ‹Schon gar nicht jetzt, wo der Schnee alle Spuren begräbt.›
    Anna hob das Glas, trank einen kleinen Schluck, stellte das Glas aufs helle Holz.

    ‹Es muss›, sagte Anna mit ihrer tiefen heiseren Stimme, ‹es muss geschneit haben, als ich auf die Welt kam.›
    ‹Geburtstag, nicht wahr, haben Sie doch im Juli?›, sagte Dagmar.
    ‹Es hat geschneit, als ich auf die Welt kam. Anders kann es nicht gewesen sein.›

    Der Hahn tropft seit Wochen -

    Albert stand am Fenster und sah hinaus, zupfte die rechte Braue, Dagmar hielt die Zigarette in den Wasserstrahl, riss Papier von der Rolle, wickelte den Stummel ins Papier.
    Erst zwanzig nach drei -

    ‹Wo ich jetzt bin, wo ich jetzt wohne, da schneit es nicht oder selten. Schneit es, sind die Dinge anders, die Menschen sind anders, die Tiere, die Straßen, die Häuser, alles. Ich hatte eine Mütze, eine Wollmütze, die schönste Mütze, die ich je hatte. Rot war sie, durchsetzt mit silbernen Fäden. Eine teure schöne Mütze. Diese Fäden, wennes geschneit hatte, begannen zu glitzern und zu gleißen. Eine Zaubersilberfädenmütze. Letzten Winter hatte es geschneit. Und ich, ich ließ die Mütze in der Straßenbahn liegen, Linie zwei, die zum Hauptbahnhof führt. Ich merkte es erst, als ich die Bahn verlassen hatte. Kaum war ich durch die Tür, merkte ich es. Meine Mütze ist fort. Und die Straßenbahn fährt weiter.›
    Anna hob das Glas, trank einen kleinen Schluck.

    Albert könnte endlich auch etwas sagen -

    ‹Die Mütze, von der Sie da reden, haben Sie nie mehr gefunden?›, fragte Dagmar.
    ‹Ich stieg in die Linie elf, die auch zum Hauptbahnhof fährt, aber in einer Geraden, mehr oder weniger, nicht in einem Bogen, wie die Zwei, und hoffte, die Elf sei früher dort als die Zwei, in der meine Mütze lag. Dann würde ich am Hauptbahnhof warten. Auf die Mütze. Aber die Elf fuhr langsam, zu langsam, um vor der Zwei am Bahnhof zu sein. Schließlich ging ich zum Fahrer und bat ihn, schneller zu fahren. Wozu?, fragte der Fahrer. Damit wir vor der Zwei am Hauptbahnhof sind. Aber wozu?, fragte der Fahrer und lachte. Weil in der Zwei meine Mütze liegt. Der Fahrer lachte. Gute Frau, eine Mütze ist kein Grund, die Vorschriften zu brechen, den Fahplan. Ich sagte: Die Mütze in der Linie zwei ist keine gewöhnliche Mütze. Aha, sagte der Fahrer, ein alter Mann, der, glaube ich, ein bisschen meinem Vater glich. Sie ist eine Zaubermütze, sagte ich, sie glitzert und gleißt, wennSchnee liegt. Und heute liegt Schnee. Morgen vielleicht keiner mehr. Der Fahrer schwieg. Ich öffnete meinen Geldbeutel, bot dem Fahrer Geld an, einen Schein, damit er schneller fahre. Da hielt er auf offener Strecke, stand auf, packte mich am Arm und schob mich aus der Bahn.›

    Warum erzählt sie das? -

    ‹Sie brauchen sich um mich nicht zu kümmern, Herr und Frau Mangold. Ich verschwinde, sobald ich kann.›
    Albert, am Fenster, drehte sich zu Anna, schneller als er wollte, Dagmar sah sein Gesicht, die verzerrten Lippen, Albert fauchte: ‹Frau Baumer, und wenn man Sie erwischt da draußen, Herrgott, was sagen Sie, wo Sie waren? Sie sind nicht allein auf dieser Welt.›

    Dagmar stellte eine Tasse unter die Düse der Kaffeemaschine, drückte einen Knopf, die Maschine ratterte, und Dagmar hoffte, das Rattern höre nicht mehr auf, Dagmar wartete, bis die Tasse voll war, trug die Tasse zum Tisch aus hellem Holz, setzte sich auf einen Stuhl.

    ‹Eine Waffel, Anna?›, fragte Dagmar.

    ‹Albert meint es nicht so›, sagte Dagmar.

    ‹Willst du dich nicht zu uns setzen, Albert, oder bleibst du am Fenster stehen, bis es draußen

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