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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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Anna.
    ‹Das spielte Simon so gern, als er noch klein war, versessen war er darauf. Weißt du nicht mehr, Albert? Weil er nicht verlieren konnte und jedes Mal zu toben anfing, wenn er verlor, ließen wir ihn heimlich gewinnen. Weißt du das nicht mehr? Weil wir sein Toben nicht länger ertrugen, ließen wir ihn gewinnen. Dass du das nicht mehr weißt.›
    ‹Ich muss nicht alles wissen.›
    ‹Und als er merkte, dass wir ihn gewinnen ließen, wurde er erst recht wütend. Kein einfaches Kind war er. Dann wurde er so wütend, dass er das Brett nahm, das Brett, auf dem man spielte, ein Kartonbrett, und eine Ecke abbrach. So wütend konnte der werden.›

    Ich rief endlich meine Eltern an. Sie nahmen nicht ab.

    ‹Vielleicht Simon›, sagte Anna und sah zu Dagmar.
    ‹Kann sein›, sagte Dagmar.
    ‹Der ruft wieder an›, sagte Albert.

    Ich rief wieder an.

    Albert ging die Schritte zum Apparat.
    ‹Pastor Mangold.
    Hallo Simon.
    Ja ja, alles in Ordnung, ich wollte gerade abnehmen, da legtest du auf.
    Die ist hier, wo sonst?
    Die haben mir, ich weiß nicht, ob du das weißt, die haben mir heute, kaum hatte ich mit der Predigt begonnen, die Kirche gestürmt und dann zugesperrt, stundenlang. Die Abdankungshalle ist versiegelt.
    Was sagst du da?›
    Albert drehte das Gesicht zur Wand und schwieg.
    ‹Ist das wahr?›
    Albert schwieg.
    ‹Den Fernseher hatte ich heute nie angestellt, auch das Radio nicht.
    Ja, ich bin noch dran.
    Sie ist im Bad, willst du warten, bis sie kommt?
    Davon weiß ich nichts.
    Du würdest nicht erraten, wer hier neben Dagmar sitze, hat Dagmar gesagt? Davon weiß ich nichts. Niemand ist hier, nur deine Mutter und ich, wer soll denn hier sein? Das ganze Viertel war abgesperrt.
    Wahrscheinlich ein kleiner Sonntagvormittagsscherz deiner Mutter.
    Und bei dir, alles in Ordnung? Die Kinder seien krank, hat Dagmar erzählt.
    Das ist gut. Das ist gut.
    Ja, mach ich.
    Ja, ein andermal.
    Bis bald, Simon, danke für den Anruf.›

    ‹Grüße von Simon›, sagte Albert leise.
    ‹Ja›, sagte Dagmar.
    ‹Den Kindern, sagt er, geht es besser.›
    Dagmar, das Haar bauschig und fahl, trat ans Fenster.

    Letztes Jahr um diese Zeit lag kein Schnee -

    ‹Bitte setz dich, Dagmar, du machst mich nervös.›
    ‹Ich steh doch nur am Fenster.›
    ‹Man sieht dich. Wer draußen steht, der kann dich sehen.›
    Dagmar setzte sich aufs kurze schwarze Sofa, schob die Hände unter die Schenkel.
    ‹Bis es ganz dunkel ist, stehen noch Polizisten da draußen, hat der Inspektor gesagt. Wenn es ganz finster ist, zieht er sie ab›, sagte Albert. ‹Aber mich kennen sie. Ich dürfte raus, hat der Inspektor gesagt. Ich dürfte hinaus auf die Straße und fort. Aber ich muss ja nicht fort.›

    ‹Wie dunkel es schon ist um zehn nach fünf›, sagte Dagmar.
    ‹Nicht genug›, sagte Albert.

    Ich könnte jetzt stricken, dachte Dagmar, wie ich oft stricke an einem Sonntagabend.
    ‹An einem Sonntagabend stricke ich oft›, sagte Dagmar. ‹Im Moment bin ich an einer Mütze für Charlotte, Simons Tochter. Fast acht ist sie, am fünfzehnten, in vier Tagen, wird sie acht. Kaum geboren und schon acht. Einhübsches großes Mädchen, Simons Charlotte. Manchmal nennt er sie Charly. Aber das hat sie, glaube ich, nicht sehr gern. Ihre Mutter nennt sie Lotte, und das gefällt ihr wohl besser. Stricken beruhigt›, sagte Dagmar.
    ‹Das behauptete auch meine Mutter›, sagte Anna, ‹das meinte meine Mutter, damit ich strickte, weil ich so zappelig war. Damit ich strickte, wickelte sie die Wolle um ein Stück schwarze Schokolade. Ich liebte schwarze Schokolade. Und die durfte ich dann essen, wenn die ganze Wolle verbraucht war.›
    ‹Lustig›, sagte Dagmar.
    ‹Dieses Stricken, um an schwarze Schokolade zu kommen, ist vielleicht meine älteste Erinnerung.›
    ‹Meine älteste Erinnerung hat mit dem Klumpfuß meiner Mama zu tun. Mama hatte einen Klumpfuß, und trotzdem war sie Organistin, wir hatten eine Hausorgel, eine kleine Orgel neben Vaters Büchergestell. Aber der Klumpfuß, ich weiß nicht wie, wurde immer klumpiger, immer schlimmer, Mama, wenn sie Orgel spielte, traf irgendwann die Tasten des Pedals nicht mehr, oder ihr Klump, meine Brüder und ich nannten ihren Fuß heimlich Klump, ihr Klump drückte zwei Tasten zur gleichen Zeit. Sie war untröstlich. Eines Tages stand ein Lieferwagen vor dem Haus, Männer luden einen Apparat aus und trugen ihn ins Haus, eine Orgel ohne Pfeifen und Pedal, eine Hammondorgel, vermutlich die erste

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