Nur in deinen Armen: Roman
sich aufgeregt hatte.
Seine Brust wurde ganz eng, als er ihr in die Augen sah. Ihr Blick war ausdruckslos, alle Gefühle hatte sie daraus verdrängt.
Während er sie über die Schwelle führte, fragte sich Lucifer, ob es wohl zu spät wäre, noch einmal nach draußen zu gehen, um Percy zusammenzuschlagen.
6
Die Gefühle, die dieser Vorfall auf der Terrasse in ihm geweckt hatte, ließen sich nicht so schnell wieder unterdrücken. Später an diesem Abend stand Lucifer am Fenster seines Schlafzimmers und beobachtete den Mond.
Morgen würde er in das Herrenhaus ziehen. Morgen würde er damit beginnen, den Mord an Horatio zu untersuchen, intensiver, als er es bis jetzt getan hatte. Horatio war am Sonntagmorgen umgebracht worden. Morgen war Mittwoch. Der erste Schock und die ersten Spekulationen hatten sich gelegt, die Menschen hatten Zeit gehabt, um darüber nachzudenken und sich, wie er hoffte, zu erinnern.
Er lief unruhig hin und her, dann blieb er vor dem Fenster stehen und sah hinaus. Der Mond schob sich hinter einer dünnen Wolke hervor, die Nacht war ein Gewirr von sich bewegenden Schatten in seinem blassen Licht.
Eine Gestalt verließ das Haus und ging mit entschlossenen Schritten über die Wiese hinter dem Haus. Lucifer starrte hinaus. Eine Kappe verbarg den Kopf des Mannes - oder war es ein Junge? Sein Schritt war wiegend, anmutig und leicht, lange Beine in einer engen Hose und Stiefeln. Die Reitjacke reichte bis auf die Hüften. Jonas?
Die Gestalt näherte sich den Büschen, jetzt ging sie langsamer.
Dieses kurze Zögern ließ Lucifer klar sehen. »Was zum Teufel … ?«
Er wartete erst gar nicht auf eine Antwort. Das Objekt seiner Neugier war im Wald verschwunden, noch ehe er nahe genug herangekommen war, um sicher zu sein, ihre Spur nicht zu verlieren. Er verfolgte sie, er wollte sehen, wohin sie ging.
Außerdem wollte er wissen, warum sie das tat.
Er hätte wetten können, dass ihr Ziel das Herrenhaus war - sie wusste, dass er dort von morgen an wohnen würde. Doch stattdessen bog sie vom Weg ab auf eine schmale Straße, die zum Dorf führte.
Er folgte ihr, kam ein Stück näher heran, so dass er sie immer sehen konnte. Der Weg schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch - wie leicht könnte sie ihm hier entwischen. Mit gesenktem Kopf ging sie weiter, offensichtlich war sie tief in Gedanken versunken.
Der Weg wurde breiter, er führte zwischen zwei Bauernhäusern hindurch auf die Straße. Ohne Pause überquerte Phyllida die Straße und ging den Dorfanger hinauf. Lucifer blieb ein Stück zurück und vergrößerte so den Abstand zu ihr. Der Dorfanger war offen, jetzt zweifelte er auch nicht länger daran, wohin sie ging. Sie war auf dem Weg zur Kirche.
Ihre eigenartige Unterhaltung mit dem Vikar kam ihm wieder in den Sinn. Was um alles in der Welt ging hier vor?
Als er den Friedhof erreichte, stellte er fest, dass ein schwacher Lichtschein aus der Seitentür der Kirche fiel. Er benutzte die Grabsteine als Deckung und schlich sich näher heran, jetzt war er noch vorsichtiger als zuvor.
Phyllida war nicht länger allein.
Ein großer Grabstein stand gleich neben dem Weg, der zur Seitentür der Kirche führte, in seinem Schatten beobachtete Lucifer, wie Phyllida neben Filing auf der schmalen Veranda vor der offenen Tür stand. Beide hatten Geschäftsbücher in der Hand, mit gesenkten Köpfen machten sie Notizen und verglichen ab und zu ihre Eintragungen.
Lucifer blickte den Weg hinunter zur Straße, die am Friedhof vorüberführte. Das Friedhofstor verbarg sich im Nebel, doch wenn er seine Augen anstrengte, konnte er Gestalten erkennen und Bewegungen auf der Straße dahinter. Dann erschienen Gestalten aus den Schatten, sie kamen den Weg hinauf - es waren Männer, die kleine Fässer trugen, Kisten und Pakete. Sie kamen an seinem Versteck vorüber. Lucifer wandte sich um und sah, dass Phyllida jede Kiste, jedes Fass kontrollierte und dass sie und Filing leise mit den Männern sprachen.
Dann trugen die Männer ihre Lasten in die Kirche.
Lucifer lehnte sich zurück, er stützte die Schultern gegen den Grabstein. Schmuggel ?
Die Tochter des örtlichen Friedensrichters war Anführerin einer Gruppe von Schmugglern, und der örtliche Vikar half ihr dabei.
Phyllida verglich jedes einzelne Teil, das an die Tür der Kirche gebracht wurde, mit einer Frachtliste. Neben ihr hielt Mr Filing eine ähnliche Liste in der Hand, auf der er vermerkte, welche Männer am heutigen Abend halfen und wer welche
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