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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
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sie, ihr Gelächter trug der Wind davon.
    »Eine Idylle aus dritter Hand. Wiedersehn in Brideshead«, kommentierte Johanna. »Gelebter Kitsch. Ich könnte mich vollkotzen.«
    »Lass sie doch«, sagte Leonie.
    »Musst du dich immer so drastisch ausdrücken?«, sagte Charlotte. »Und im Übrigen, nach dieser Maßgabe ist unsere Daseinsform auch schon gelebter Kitsch.«

Dörtes Zimmer (15 Uhr 23)
    »Nochn Film?«, fragte Dörte.
    Flocke schüttelte gequält den Kopf.
    »Hast ja recht«, sagte sie.
    Sie lehnte sich zurück auf ihr Bett, verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf, winkelte ein schönes Bein an und betrachte Flocke mit gesenkten Augenlidern.
    Fuhr sie auch mit der Zunge kurz über ihre Lippen?
    Nein.
    Ihre Haltung hätten die alten Damen als lasziv bezeichnet. Ein Wort, das sich in Dörtes Wortschatz nicht befand.
    Wahrscheinlich hatte sie diese Haltung einmal in einem Film gesehen.
    Dörte betrachtete Flocke. Eigentlich sah der ja nicht schlecht aus. Man müsste den Kerl lockern, zurechtbiegen.
    Vielleicht sollte man ein bisschen Spaß haben.
    Vielleicht sollte man mit Flocke ein bisschen Spaß haben, ein wenig casual sex?
    Warum eigentlich nicht?
    Ja, warum eigentlich nicht?
    Zu diesem Punkt war Dörte offensichtlich gekommen. Der Junge war im Bett sicher keine Rakete, aber …
    Ihr Sehnen schwang noch einmal zurück zu Freddie …
    Dörte langweilte sich.
    Mal sehn, was geht.
    Flocke machte auf sie jetzt einen außerordentlich verkrampften Eindruck.
    Wahrscheinlich hatte der mächtig Druck. Der würde ja gleich vom Hocker fallen, so verkrampft, wie der war.
    »Hey. Willste nich hier rüberkommen?«
    Flocke durchfuhr es heiß. Leider verstärkte die Hitzewelle auch sein Zahnweh. Verdammt. Er stand auf. Wie oft hatte er das erträumt. Es drängte ihn zu ihr. Seine Knie waren etwas weich, sein Geist eilte voran und schuf das Bild, wie er – der unzeitgemäße Romantiker – sich sacht zu ihr legen und an sie schmiegen würde, sie dicht an sich ziehen und zärtlich … Stattdessen fiel er plump in ganzer Länge über sie her.
    Dörte wunderte das nicht. Es war zwar etwas heftig, aber schließlich: Der Mann war jetzt da, wo er immer schon hinwollte. Sie hielt die Sturzaktion für das Resultat einer hochschäumenden sexuellen Gier. Einen Dammbruch.
    Er tastete nach ihrer Brust, legte aber den Kopf von ihr abgewandt auf das weiche Kopfkissen. Einen Zungenkuss, das meldete seine inzwischen halbzugeschwollene Mundhöhle, würde er im Moment nicht bringen. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt etwas bringen würde.
    Es klopfte.
    Dörte schnellte hoch und stieß dabei mit ihrem Ellbogen gegen seinen Kopf. Flocke kippte zur Seite und stöhnte.
    Dörte knöpfte den oberen Knopf ihrer Bluse zu (weiter war Flocke nicht gekommen), setzte sich artig auf die Bettkante, fuhr sich durch die kurzen Haare und rief: »Herein.«
    Das Bild, das sich Charlotte bot, als sie das Zimmer betrat, war uneindeutig. Sie wies auf Flocke, der immer noch gekrümmt auf dem Bett lag und einen gurgelnden Laut von sich gab, und fragte:
    »Was ist mit ihm?«
    »Keine Ahnung. Der is irgendwie neben der Spur.«
    Flocke, der sich mühsam hochstemmte, nuschelte:
    »Zahnweh.«
    »Das ist ja nicht anzusehen. Warum gehen Sie nicht endlich zum Zahnarzt? Das habe ich Ihnen vorhin schon empfohlen.«
    Ein scharfer Ton.
    »Ich habe den Termin verpasst«, eine matte Reaktion.
    »Gehen Sie trotzdem hin. Sie sind eindeutig ein Notfall.«
    Auch jetzt war in Charlottes Stimme viel von einem Befehl.
    Flocke kämpfte sich mühsam in die Vertikale.
    Er war jetzt nur noch Automat. Er würde Charlottes Befehl gehorchen.
    Dörte schaute verwundert zu Charlotte. So finster hatte sie ihre Großmutter noch nie erlebt.
    »Tschüs«, sagte Flocke und wankte zur Tür.
    Ein kläglicher Abgang.
    Das hatte Flocke nicht verdient. Nein, das hatte Flocke nicht verdient.
    Charlotte bemerkte das, er tat ihr leid, noch mehr als zuvor, aber sie sah keine Möglichkeit, ihm zu helfen, und zudem: Sie hatte ganz andere Sorgen.
    Als die Tür hinter Flocke zuschlug, wandte sie sich zu Dörte. Sie hatte noch immer diesen scharfen Befehlston, der nicht zu dem passte, was sie jetzt sagte:
    »Weil du dich in letzter Zeit so gut gehalten hast, bekommst du heute Abend Ausgeherlaubnis. Ich werde in die Nacht hinein bis mindestens zwei Uhr arbeiten. Da du keinen eigenen Schlüssel hast, solltest du dich um diese Uhrzeit wieder einfinden.«
    Dörte konnte ihr Glück nicht fassen. Noch

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