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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
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zunehmende Prosperität, mehr ist in der menschlichen Geschichte nicht drin. Bald aber wird es düster werden.«
    Leonie stolperte (?) über eine Bodenvase. Die kippte und zerbrach und entließ einen Wasserschwall. Dort entstand ein kleiner See. In dem schwammen dunkelviolette Gladiolen.

    »In einer Welt ohne Opernhäuser möchte ich nicht leben.«
    Charlotte fiel ein Champagnerglas aus der Hand.

    »Das hätte mich heute Morgen noch um den Verstand gebracht, jetzt kommt es mir vor, als würdet ihr von einem anderen Planeten sprechen.«
    Ein silberner Kerzenständer ging zu Boden und verbog sich. Vier weiße Kerzen rollten in die Wasser-Champagnerlache. Es war nicht genau zu erkennen, aber sehr wahrscheinlich ging auch dieser Bruch auf das Konto von Nadine.

    »Ich setze nicht auf die Jugend. Das Einzige, was ihnen von der elterlichen Karriere- und Lachsackgeneration gelehrt wurde, ist der Konsum, und das ist auch das Einzige, was sie wirklich gut können.« Johanna erledigte, indem sie mit ihrem Unterarm großflächig über den Tisch wischte, eine Teetasse, ein gefülltes Rotweinglas und eine halbleere Grappaflasche. Der See vergrößerte sich und nahm eine eigentümliche Färbung an. Gerüche breiteten sich aus, wie sie nie in diesem Raum gewesen waren.

    »Früher war es besser. Ja, ich weiß, das ist ein tödlicher Gebissträgersatz. Vor diesem Satz muss man sich hüten.
    Es ist der soziale Ausstiegssatz der Alten. Mit ihm ist man endgültig in der totalen Unzuständigkeit angekommen.
    Ja, ja, alle Alten aller Zeiten haben das gesagt. Aber wenn es einmal wahr wäre, wenn es jetzt aufs Ganze zuträfe? Wenn von nun an alles tatsächlich nur noch schlechter würde? Der letzte Satz auf der Titanic II.«
    Leonie hatte den Schürhaken aufgenommen und auf den beschädigten Lüster eingedroschen, ein Kristallregen war die Folge.

    »Nicht etwa glaube ich an einen gütigen Gott, nicht etwa glaube ich an die Harmonien der Gestirne, nicht etwa glaube ich an meinen guten Wesenskern, nicht etwa …«
    Charlotte rammte mit Johannas Gehhilfe ein Beistelltischchen, das mitsamt einer großen Obstschale umkippte. Acht rote Äpfel rollten über das Parkett. Drei rollten in die Pfütze.

    »Im Roman geht alles, aber nichts.«
    ???
    Johanna stieß fanatisch mit den Spitzen einer Kuchengabel in die Brokathülle eines Zierkissens, bis eine hässliche braune Füllung hervorquoll.

    »Die irrenden Furien. Die Irrwege meiner Schmerzen. Meine verirrten Tränen. Mein Leben als Irrtum.«
    Leonie brach einer filigranen Porzellanschönheit in einem Rokokokostüm den abgespreizten Mittelfinger ab.

    »Ich hatte es heute gleich bemerkt, gleich am Morgen, als ich die Augen aufschlug, um fünf Uhr schon. Die Geräusche! Oder sollte ich besser sagen: die Nicht-Geräusche. Die Geräusche waren anders. Die Stille war anders. Ich hätte nicht sagen können, worin diese Veränderung bestand. Aber nein, es war nicht absolut still. Im Hintergrund der Stille – von ihr geschieden und ihr doch ganz zugehörig – war ein Rauschen. Kann man das so sagen? Das kann ja eigentlich so nicht sein. Doch, ich will das so sagen!
    Seltsam.«
    Nadine gab dem Servierwagen einen starken Stoß, so dass er in hohem Tempo gegen einen Empiresekretär knallte und einen hässlichen Kratzer im Wurzelholzfurnier hinterließ. Etliche Fadeneinlagen und Intarsien schossen durch den Raum.

    »Alles ist Zufall, Konstellation und Mischung, die kleine Erzählung, die wir Biographie nennen, und die größere der Menschheit und die ganz große des Universums auch.«
    Charlotte riss mit Kraft an einer Samtportiere, die mitsamt ihrer Halterung und einer schweren Messingstange zu Boden rauschte.

    »Das geblümte Kleid. Es sei mein schönstes, sagte er damals.
    Vielleicht war es mein schönstes, als ich selber noch schön war. Jetzt ist es einfach nur noch lächerlich, diese Frühlingsanmutung, aus der der Stützstrumpf ragt.«
    Nadine brachte eine Standuhr zu Fall.

    »Die Schamanen der automatisierten Geldvermehrungen, die im Ruin der Vielen ihren zweifelhaften Sieg haben. Sie reiben die Zeit von ihren Gesichtern. Sie wissen es nicht, sie tun das nicht absichtlich, so wie man sich automatisch kratzt, weil es ein bisschen juckt, um den Juckreiz loszuwerden.«
    Der hohe Spiegel, in dem sich Johanna eben noch missbilligend betrachtet hatte, würde kein Bild je wiedergeben.

    »… Die Barbarei der Quantifizierung, die eine Kultur unter sich begräbt. Und weil sich immer alles

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