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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
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zum ersten Mal lächelte der rundliche geschminkte Herr, und – kaum zu glauben – für diesen Moment war er schön.
    Und, das war ja auch kaum zu glauben, niemand hätte gedacht, dass sie das noch konnte: Johanna lächelte gleichfalls.
    Der rundliche geschminkte Herr erhob sich.
    »Um zum guten Ende zu kommen: Ist meine Begleitung erwünscht?«
    »Ja, ich bitte darum.«

    Der rundliche geschminkte Herr deutete wieder eine kleine Verbeugung an und sagte zum Schwan: »Bitte übernehmen Sie.«

    »Na endlich«, sagte der Schwan, »ich dachte schon, ihr würdet nie fertig, ich habe nicht ewig Zeit, wenn das hier nichts wird, liefere ich heute Abend noch eine blendende Performanz in der städtischen Oper. The show must go on.«
    Das kleine blondgelockte Mädchen war inzwischen auch eingeschlafen. Noch immer lag der Kopf des schnarchenden Hundes auf seinem Schoß. Den eigenen Kopf hatte es zurückgelehnt in die seidigen Kissen des Sofas, und so schlummerte es friedlich, das sanfte Gesicht lockenumrahmt, mit einem leicht geöffneten zarten Mund und rosigen Backen, die sich rhythmisch ein wenig blähten.

    Der Schwan zeigte mit seiner Flügelspitze auf Charlotte.

    »Da liegt ein toter Mann nebenan.«
    »Wem sagst du das?«, sagte Charlotte.
    »War das notwendig?«
    »Ja, nein, vielleicht, eher doch.«
    »War das souverän?«
    »Nein, ich hätte es auch lassen können, aber es nahm eine Last von mir.«
    »Worum ging es da?«
    »Eine grausame Verrechnung, seine Jahre gegen die, die wir hier noch hätten haben können.«
    »Beim Zeus, das ist Schwachsinn.«
    »Sehe ich inzwischen auch so.«
    »Du hast immer zu sehr auf die Maßnahmen, Fakten und Zahlen vertraut.«
    »Sehe ich inzwischen auch so.«
    »Für dich war das Leben eine Versuchsanordnung.«
    »Ja.«
    »Ist der Versuch geglückt?«
    »Eher nicht.«
    »Alsdann, das haben wir ja schnell geklärt«, sagte der Schwan, und als er ein Zögern bei Charlotte spürte, fragte er:
    »Gibt es noch etwas zu hoffen?«
    »Nein.«
    »Gibt es noch etwas zu wünschen?«
    »Nein.«
    »Gibt es noch etwas zu tun?«
    »Nein.«
    »Noch eine Erklärung abschließend?«
    Charlotte überlegte kurz, dann sagte sie:
    »Ich selbst war der Mensch, dem ich am meisten misstraute. Mehr als die ständige Selbstüberprüfung unter dem Diktat der Pflichtgebote war von mir nicht zu erwarten. Ich war meiner gewiss, aber ich liebte mich nicht übermäßig.«
    »Daher hast du auch die anderen zu wenig geliebt?«
    »Ja, vielleicht. Mag sein. Klingt peinlich simpel, aber so simpel sind die Dinge zuweilen. Manchmal ist eine subtile Psychologie nur Schmuckwerk und Ausrede.«
    »Und hätte der Liebe nicht«, murmelte die Kleine im Schlaf.
    Der über alle Maßen gütige Schwan spürte, dass Charlotte noch Redebedarf hatte, deshalb fragte er:
    »Wie begann das alles heute?«
    »Heute Morgen begrüßte ich den neuen Tag. Er schien den vorangegangenen brav gefolgt zu sein. Ich schaute auf den von der Sonne lieblich beglänzten Fluss. Da war ein freundlicher Wind, zart raschelte er in den Blättern der Platanen, als wolle er seine Harmlosigkeit betonen. Am neuen Himmel, er war von einem noch blassen Blau, schwammen kleine weiße Frau-Holle-Wolken wie auf den Einstimmungsbildern der Heimatfilme aus den sechziger Jahren in Agfacolor.
    Ein Tagesanbruch mit allen Reizstoffen für die Liebe zum Leben und doch, wie ich es immer nur sehen konnte, ein Betrug aufs Ganze. – Ich kann diese Kulissen nicht ernst nehmen. Schließlich ist alles nur so, weil wir es gemäß unserer Sinnesausstattungen so und nicht anders wahrnehmen können. Nur im Fluss sah ich eine Wahrheit.«
    »Noch so ein Irrtum. Die Zeit fließt nicht. Die Zukunft war schon da«, sagte der rundliche geschminkte Herr.
    »Aha. Und nun?«, fragte Charlotte.
    »Was soll schon sein«, sagte der Schwan, »das letzte Kapitel, die letzte Reise, eine Dampferfahrt auf der Styx …«
    »Und was bleibt mir? Heiliger Zorn oder Demut und nichts dazwischen?«
    »Ja, es ist banal.«
    »Es ist unvorstellbar.«
    »Es ist banal.«
    »Man kann es nicht denken.«
    »Es ist normal.«
    »Man kann es nicht erfühlen.«
    »Es ist der Gang der Dinge.«
    »Das sagt man so, ganz hilflos, ein öder Satz!«
    »Geben Sie Ruhe. Keine Chance mehr, die Sache zu sensationalisieren.«
    »Doch. Ich bin dagegen. In meinem Namen geschieht es nicht!« Charlotte ballt die Faust.
    »Ja, süß. Noch ein letztes heroisches Aufbegehren, aber das ist doch unter deiner Würde«, sagte der humorvolle

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