Nur wenn du mich hältst (German Edition)
keinen Sinn ergab. Einer davon war, dass er gar keine Ahnung hatte, was Liebe eigentlich bedeutete. Wie sollte er auch, so wie er aufgewachsen war? Seine Mutter ließ sich von Kerl zu Kerl treiben wie eine Biene, die nach Honig suchend von Blüte zu Blüte flog, sie aussaugte und dann, ohne einen Blick zurück, zur nächsten schwebte.
Während seiner Kindheit und Jugend hatte er eine ganze Armee von Männern durch das Leben seiner Mutter und somit auch durch seins marschieren sehen. Manchmal gab sie zu, dass sie einen Kerl mochte, weil er sie seinen schönen Volvo fahren ließ, wann immer ihr danach war, oder weil er in einem Musikladen arbeitete und ihr CDs schenkte. Als er alt genug war, das Verhalten seiner Mutter zu hinterfragen, erklärte sie ihm selbstironisch lachend: „Mein kleiner Liebling, ich nutze mein Aussehen, solang ich es noch habe.“
Der kleine Bo hatte sich gefragt, wohin das Aussehen wohl verschwände. Wurde es in einem Haufen auf dem Boden des Kleiderschranks liegen gelassen, weggeworfen wie das Halloween-Kostüm vom vergangenen Jahr? Und warum würden Männer aufhören, sie zu mögen, wenn ihr Äußeres alles war, was sie an ihr mochten?
Wann immer er festzulegen versuchte, was Liebe war, dachte er an seinen Coach Landry Holmes und an Emmaline, dessen Frau. Emmaline war, um es höflich auszudrücken, ein schlichter Mensch. Und doch hatte Landry eine Art sie anzusehen, die sie wunderschön erscheinen ließ. Er hatte dann diesen besonderen Ausdruck im Gesicht, und wenn sie seinen Blick erwiderte, wirkte sie wie von innen erleuchtet. Das Wort schön fing noch nicht mal im Ansatz ein, wie sie in diesen Momenten aussah. Seine Mutter machte sich Sorgen darüber, ihr Aussehen zu verlieren, aber Emmaline würde ihres immer behalten.
So ein Gefühl wollte er auch finden, dessen war er sich sicher. Er hatte jedoch nicht viel Glück … bis er Yolanda traf. Seine Hand zitterte, als er ihr den Badeanzug auszog. Ihre Schönheit überwältigte ihn genauso wie ihre schüchtern aufflackernde Leidenschaft. Es war für sie beide das erste Mal mit all der dazugehörigen Ungelenkigkeit. Er stellte sich mit dem Kondom ungeschickt an, es gab ein wenig Blut und Unbehaglichkeit, aber Yolanda klammerte sich an ihn und sagte, sie weine, weil sie ihn so liebe. Im Laufe der Zeit nahm ihre Kühnheit zu, und er lernte, wie er sie befriedigen konnte. Wenn sie in seinen Armen vor Lust aufschrie, kamen ihm beinahe selbst die Tränen. Danach lagen sie in dem Gefühl, die Liebe gefunden zu haben, beieinander und bauten aus Worten ihre Zukunft. Er würde Baseball spielen und aufs College gehen, sie ihre Fähigkeiten im Nähen, das sie so liebte, verbessern und eines Tages Brautkleider und Abendroben anfertigen. Eines Tages würden sie heiraten und ein eigenes Haus haben mit einer kleinen Veranda und einem Garten, in dem bei Einbruch der Dämmerung die Grillen zirpten.
Bo erinnerte sich, dass er versucht hatte, diesen Moment in seinem Herzen einzuschließen, weil er wusste, dass er in diesen Augenblicken das erste Mal pures Glück erlebte. Im Laufe der Wochen lernten sie, sich davonzustehlen, verborgene Plätze zu finden, an denen sie sich lieben konnten – manchmal mit verzweifelter, hungriger Hast, manchmal mit ruhiger, köstlicher Leidenschaft. Er würde nie erfahren, in welcher Nacht genau das Kondom versagt hatte, aber das hatte es. Und Yolandas blühender, fruchtbarer Körper tat, wofür er geschaffen worden war. Die unsichtbare Zellteilung, die eines Tages sein Sohn sein würde, begann ohne sein Wissen.
Die erste Ahnung, dass irgendetwas nicht stimmte, erfasste ihn, als Yolanda nicht mehr zur Schule kam. Er machte sich Sorgen und brach deshalb ihre Kardinalregel – er griff zum Telefon, obwohl sie ihm gesagt hatte, er dürfe sie niemals anrufen. Mit ernstem Ton sagte ihr Vater ihm, dass er nie wieder versuchen sollte, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Er blieb jedoch hartnäckig und ging zu ihrer Wohnung, nur um dort vom wütenden Hector Martinez vertrieben zu werden. Danach stahl er eine Leiter von einer Baustelle und kletterte spätabends zu Yolandas Fenster hinauf. Sein Klopfen erschreckte sie, und sie begrüßte ihn ängstlich flüsternd, ihre Augen waren verquollen. Bei ihrem Anblick bekam er sofort einen Steifen, was ihn leicht beschämte, denn sie war ganz offensichtlich alles andere als scharf auf ihn.
„Geh bitte“, flehte sie ihn an. „Wenn mein Vater uns erwischt, wird er dir wehtun.“
„Was ist los?“,
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