Nur wenn du mich hältst (German Edition)
„Bedient euch.“
„Oh ja.“ Max und die Kleinen griffen beherzt zu. Bevor Max jedoch zubiss, hielt er inne. „Oh, äh, willst du auch einen?“, fragte er AJ.
„Nein danke.“
„Wir haben jetzt eine Weile im Büro zu tun“, sagte Sophie, um die Spannung zu lösen. „Kommst du mit den beiden klar, Max?“
„Logo, kein Problem.“
Sie gingen zu dritt in Sophies Büro, ein kleines, perfekt aufgeräumtes Zimmer mit einem Computer und mehreren Aktenschränken, einer Pinnwand, an der Ausschnitte aus internationalen Zeitungen und Landkarten hefteten. In den Regalen standen dicke Gesetzesbücher und Familienfotos, auf denen alle ihr strahlendstes Lächeln zeigten. Bo wusste, dass Sophie harte Zeiten und Herzschmerz durchgemacht hatte, aber die Bilder waren der Beweis dafür, dass selbst die schlimmsten Probleme überwindbar waren.
Sie legte AJ eine Hand auf die Schulter. Diese schlichte Berührung hatte sichtbare Auswirkungen. Der Junge entspannte sich, und die angestrengten Sorgenfalten auf seiner Stirn glätteten sich. Einfach so konnte eine Berührung Trost spenden. Außer dass er den schlafenden Jungen ungeschickt die Treppe hinaufgetragen hatte, hatte Bo seinen Sohn bisher nicht berührt. Als er jetzt sah, wie diese kurze Verbindung AJ Zuversicht schenkte, erkannte er, dass Nähe nicht seltsam sein musste. Er hatte noch viel zu lernen, was das Elternsein anging, und wenn er bedachte, wie er selbst aufgewachsen war, würde er vieles davon erraten müssen.
„Sobald mir Bo gestern vom Fall deiner Mutter berichtet hat, habe ich angefangen zu telefonieren“, sagte Sophie zu AJ. „Ich weiß, es ist eine schwere Zeit für dich und deine Mom, also werden wir versuchen, das Ganze so schnell wie möglich aufzulösen.“
„Wie schnell?“, fragte AJ. „Wann kann ich meine Mom sehen? Wann kann ich nach Hause?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Fälle, die das Einwanderungsrecht betreffen, sind meist kompliziert. Aber das spielt uns auch ein wenig in die Hände, denn in solchen Fällen kann alles passieren. Ich arbeite mit einem Kollegen zusammen, dessen Kanzlei sich auf Einwandererfragen spezialisiert hat.“ Sie berührte ihn wieder leicht, dieses Mal am Arm. „Siehst du das Dokument auf dem Monitor meines Computers? Das ist eine Eilverfügung, die wir gleich Montagmorgen als Erstes bei Gericht einreichen. Sie besagt, dass ein minderjähriger Staatsbürger der Vereinigten Staaten ohne gesetzlichen Vormund allein gelassen wurde. Wir hoffen, damit eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung für deine Mom zu erwirken.“
Die Sorgenfalten auf seiner Stirn erschienen wieder. AJ schaute mit unglücklicher Miene auf den Computer. „Ich muss meine Mom sehen. Ich halte es nicht mehr länger aus.“
Bo hätte ihn gern umarmt, sein Sohn tat ihm so leid, doch er wollte keine unsichtbare Grenze überschreiten. Verdammt, was für ein Schlamassel. Er erinnerte sich daran, wie natürlich Sophie den Jungen vorhin berührt hatte, und streckte eine Hand aus, um AJ die Schulter zu tätscheln. „Es wird nicht ewig dauern, aber dieses ganze rechtliche Zeug braucht seine Zeit.“
AJ entzog sich ihm. „Wie viel Zeit?“
Er tauschte einen Blick mit Sophie. „Das kann niemand so genau vorhersagen“, erwiderte er.
Sein Sohn schaute ihn misstrauisch an. „Warum kann ich nicht einfach dahin gehen, wo meine Mom ist? Ins Untersuchungsgefängnis und dann nach Mexiko oder wohin auch immer?“
„Du bist amerikanischer Staatsbürger, und dich dorthin zu schicken ist genauso kompliziert, wie sie wieder hierher zurückzuholen“, erklärte er. Nach einem aufmunternden Nicken von Sophie fuhr er fort: „Außerdem will deine Mom das nicht.“ Das hatte Yolanda während ihres Telefonats sehr deutlich gemacht. Hier ist es für ihn viel zu gefährlich und unsicher, hatte sie gemeint.
„Ich bin ein Kind“, erinnerte ihn AJ unnötigerweise. „Spielt das gar keine Rolle? Dass ich ein Kind bin und bei meiner Mutter sein sollte?“
„Ehrlich gesagt war das bis vor Kurzem gesetzlich so vorgesehen“, sagte Sophie. „Doch bei der Reform des Immigrationsgesetzes wurde diese Option gestrichen. Davor galt, wenn Eltern ohne Papiere nachweisen konnten, dass durch ihre Abschiebung ein US-Bürger, in diesem Falle du, AJ, Schaden erleiden würde, konnten die Richter entscheiden, sie im Land bleiben zu lassen, aber die Reform hat die Abschiebung automatisiert.“ Sie zeigte ihnen ein Dokument, das sie ausgedruckt hatte. „Mitte der
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