Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ihren Kopf gepfropft worden. Sie war fünfundzwanzig, bereits zweimal geschieden, und sah wegen eines Augenfehlers aus, als würde sie leicht schielen. »Alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Der große Mann auf dem Kriegspfad?«
    »Nichts, womit ich nicht umgehen könnte«, sagte Susan und fragte sich, ob das stimmte. »Achte auf die Spinne«, warnte sie, als Carrie sich an den Raumteiler lehnte.
    Ohne ihre Haltung zu ändern, hob Carrie den Arm und schlug mit der flachen Hand auf die Trennwand, sodass sie heftig hin und her schwankte. Dann öffnete sie stolz ihre Hand, deren Innenseiten von den Überresten der Spinne verziert war wie von einer Tätowierung. »Du auch«, sagte sie und war verschwunden.
    Susan atmete tief ein und versuchte, ein irrationales Gefühl der Empörung zu unterdrücken. Eben hatte das arme Vieh noch gelebt, und eine Sekunde später war es tot, bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht, dachte Susan melodramatisch und staunte über die Achtlosigkeit der Jugend. Haben sie denn keine Ahnung, wie kostbar das Leben ist? Hatte sie selbst in Carries Alter eine Ahnung davon gehabt?
    Außerdem brachte es Unglück, eine Spinne zu töten. Wenn man eine Spinne tötete, gab es Regen, hatte ihre Mutter immer gesagt.
    Susan blickte zu der Wand aus Fenstern, sah die schweren, dunklen Wolken, die sich auf einer Seite des Himmels zusammengeballt hatten, und spürte bereits, wie sie dräuend näher kamen. Die Natur als Spiegel des menschlichen Bewusstseins, fiel Susan eine Phrase aus einem ihrer Literaturseminare ein. Vermenschlichung der Natur, lautete der Fachbegriff, wenn sie sich recht erinnerte. Ihre Jahre an der Universität begannen bereits zu verschwimmen und ineinander zu fließen. Sie hatte schon so vieles vergessen. Und sie begann sich zu fragen: Welchen Sinn hatte es gehabt? Nun hatte sie also einen Universitätsabschluss. Na toll. Konnte der etwa den unbarmherzig fortschreitenden Krebs ihrer Mutter aufhalten? Konnte er ihre ältere Tochter dazu bewegen, sie zu lieben? Konnte er sie davor bewahren, den größten Fehler ihres Lebens zu machen? Schade, dass an der Uni kein gesunder Menschenverstand gelehrt wurde, dachte sie, als das Telefon klingelte.
    »Hallo, Schatz«, hörte sie Owen sagen. »Erwische ich dich zu einem schlechten Zeitpunkt?«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Alles in Ordnung.« Susan konnte sich sein gütiges Lächeln vorstellen. »Ed Frysinger hat gerade angerufen und gefragt, ob wir am Freitagabend Zeit haben, zum Essen zu kommen. Ich habe gesagt, ich würde dich fragen und mich wieder melden.«
    »Freitag klingt gut.«
    »Super. Dann sage ich ihm Bescheid.«
    »Okay, also bis später.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch.« Susan legte auf und vergrub den Kopf in den Händen.
    Das Telefon klingelte erneut.
    »Ich muss Sie sprechen«, knurrte Peter Bassett ihr ins Ohr. »Sofort«, fügte er hinzu, und dann war die Leitung tot.
    Susan stand zögernd auf und warf Carrie im Vorbeigehen ein dünnes Lächeln zu. Bevor sie das Ende des schmalen Korridors erreichte, knöpfte sie den obersten Knopf ihrer pfirsichfarbenen Bluse zu. Dann atmete sie erneut tief ein – das hatte sie mittlerweile so oft getan, dass ihr regelrecht schwindelig war –, straffte die Schultern und schritt auf Peter Bassetts Büro zu.
    Die Tür stand schon offen. Peter saß an seinem Schreibtisch und war scheinbar in irgendeine Lektüre vertieft. »Machen Sie die Tür zu«, wies er sie an, ohne aufzublicken, als hätte er keine Zeit für lange Vorreden.
    Susan räusperte sich, schloss die Tür und spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sei nicht albern, ermahnte sie sich und zwang sich, ihren Vorgesetzten direkt anzusehen, obwohl der sie weiterhin ignorierte. Es gab keinen Grund zur Sorge. Nichts würde passieren. Nicht mitten am helllichten Nachmittag in einem von neugierigen Kollegen umringten Büro mit Glaswänden.
    »Sie machen mich verrückt, wissen Sie das?«, fragte er, sah sie jedoch weiterhin nicht an.
    Susans Atem stockte. Oh Gott, dachte sie und spürte das mittlerweile vertraute Kribbeln zwischen den Beinen.
    »Ich sitze hier schon den ganzen Tag und versuche zu arbeiten und kriege nichts erledigt, weil ich ständig an Sie denken muss.« Er hob den Kopf und sah sie direkt an.
    Er ist nicht einmal besonders attraktiv, versuchte Susan sich einzureden. Er ist zu dünn und irgendwie vogelartig. Owen sieht eigentlich viel besser, freundlicher aus. Aber wann hatte Owen sie zum letzten Mal mit derart nackter

Weitere Kostenlose Bücher