Nur Wenn Du Mich Liebst
jeden Moment hereinrufen, und bis ich aus dem Aufwachzimmer komme, ist Ron ganz bestimmt hier. Es gibt keinen Grund, dass du bleibst. Hier ist Geld für ein Taxi.« Sie griff in ihre Handtasche, nahm zwei 20-Dollar-Scheine und drückte sie Chris in die Hand.
Chris wurde vor Verlegenheit rot. Wie hatte Tony vergessen können, ihr Geld dazulassen? »Ich gehe nirgendwohin«, sagte sie entschlossen und stopfte das Geld wieder in Barbaras Handtasche. »Außer auf die Toilette. Ich bin gleich wieder da.«
Chris ging unsicher einen Flur hinunter, der mit jedem Schritt länger zu werden schien. »Wo ist die Toilette?«, murmelte sie. »Es muss hier doch irgendwo eine Toilette geben, Himmel noch mal.«
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ein Mann irgendwo hinter ihr.
Mit pochendem Herzen und Schweiß auf der Stirn wendete Chris den Blick in die Richtung, aus der die vertraute Stimme gekommen war. Er hat mich gefunden, dachte sie, schloss die Augen und machte sich auf den Wutanfall ihres Mannes gefasst. Sie war gegen seinen Willen hergekommen, hatte die erste sich bietende Gelegenheit genutzt, ihn zu täuschen und ihre Familie zu gefährden, indem sie ihr ungeborenes Baby potenziell tödlichen Bakterien aussetzte. Hatte Tony es ihr nicht verboten? Er hatte alles Recht, wütend zu sein.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, fragte der Mann, als Chris sich zwang, die Augen wieder zu öffnen.
Der Mann, den sie vor sich sah, blickte sie aus einer Höhe von gut 1,90 Meter mit freundlichen blauen Augen an und sah kein bisschen aus wie Tony. Er klang auch vollkommen anders, wie sie jetzt hörte, als er ihr den Weg zur Toilette wies, die gleich rechts um die nächste Ecke war. »Danke«, sagte sie und erlaubte ihm, ihren Ellenbogen zu fassen und sie ein Stück zu begleiten. »Danke«, sagte sie noch einmal, als sie die Tür der Toilette erreichte, obwohl der junge Mann schon verschwunden war. »Danke«, wiederholte sie ein drittes Mal, als sie vor dem Spiegel stand, sich die Wangen mit Wasser benetzte und zusah, wie die Tropfen ihren Hals hinunter auf den weißen Kragen ihres blauen Pullovers flossen.
Ein paar Minuten später machte sich Chris mit entleerter Blase und beruhigten Nerven auf den Weg zurück in den Wartebereich, doch Barbara war verschwunden. Unschlüssig, was sie als Nächstes tun sollte, stand sie eine Weile mitten im Flur. Sollte sie warten, bis Barbara aus dem OP kam, oder sollte sie nach Hause fahren, wie ihre Freundin es vorgeschlagen hatte. Sie hatte bloß bis auf die zehn Dollar, die sie Mrs. McGuinty für das Aufpassen auf Wyatt geben musste, kein Geld. Sie hatte also gar keine andere Wahl, als auf Ron zu warten. Das war okay. Montana war in der Schule, Wyatt in guter Obhut. Hier war es friedlich und still. Niemand sagte ihr, wie sie was zu tun hatte, niemand erklärte ihr, dass sie faul, dumm oder egoistisch war.
In diesem Augenblick spürte sie eine Hand auf ihrem Rücken, vertraute Finger, die sich in die Muskeln unter ihrer Bluse gruben. Oh Gott, dachte sie, spannte die Schultern an und unterdrückte einen Schrei. Er hat mich gefunden. Wie töricht von mir zu glauben, dass er es nicht herausfinden würde, töricht zu glauben, dass er nicht wissen würde, wo er zu suchen hatte.
»Sind Sie Chris Malarek?«, fragte eine Frauenstimme.
Chris fuhr so abrupt herum, dass sie die mittelalte Frau in der weißen Schwesterntracht beinahe umgerempelt hätte, und nickte heftig.
»Mrs. Azinger ist zur OP gebracht worden«, erklärte die Krankenschwester. »Sie hat mich gebeten, Ihnen das hier zu geben und Ihnen auszurichten, dass sie Sie später anrufen wird.« Mit diesen Worten drückte sie Chris fünf neue 20-Dollar-Scheine in die Hand.
»Danke«, flüsterte Chris. »Vielen herzlichen Dank.« Und im nächsten Moment schluchzte sie laut an der Schulter der fremden Frau.
Sie musste ihn verlassen.
Schwanger oder nicht, so konnte sie nicht mehr weiterleben, sich ständig umschauen in Furcht vor dem eigenen Schatten. »Ich kann nicht so leben«, sagte Chris, als sie mit zitternden Händen versuchte, den Schlüssel ins Schloss der Haustür zu stecken. »Ich kann so nicht mehr weiterleben. In Angst, das Haus zu verlassen. Ohne eigenes Geld. Mit lauter Lügen gegenüber meinen Freundinnen. Und dann vor vollkommen fremden Menschen zusammenbrechen. Ich kann nicht mehr.«
Chris blickte dem Taxi nach, das die Straße hinunterfuhr und um eine Ecke verschwand. Ich liebe diese Straße, dachte sie, als sie die Haustür
Weitere Kostenlose Bücher