Nur Wenn Du Mich Liebst
gegenseitige Beschimpfungen vermeiden könnten.«
»Arschloch.« Warum nicht? Sie hatte ihn sowieso verloren.
»Okay, ich verstehe, dass du aufgewühlt bist.«
»Du verstehst überhaupt nichts.« Und sie? Was genau machte sie so wütend? Dass ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verließ? Dass diese Frau halb so alt war wie sie? Halb so breit? Dass er die Frechheit besessen hatte, sie in ihr Haus zu bringen und sie seiner Frau und seiner Tochter vorzustellen? Dass er einen möglichst öffentlichen Ort gewählt hatte, um ihr die Neuigkeit zu überbringen? Dass er am Morgen in dem Wissen mit ihr geschlafen hatte, sie am Abend zu verlassen? Dass er seine Flucht seit mindestens einer Woche geplant hatte? »Deswegen hast du gestern Abend deine Mutter besucht«, sagte Barbara und begriff erst, als sie die Worte aussprach, dass sie Recht hatte. »Du hast ihr erzählt, dass du mich verlässt.«
»Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sie hat gesagt, dass ich einen Fehler mache.«
»Nun, da hat sie auf jeden Fall Recht«, erwiderte Barbara, ihre Überraschung überspielend, während sie gleichzeitig beschloss, Vicki anzurufen, sobald sie zu Hause war, um das Schwein auf alles zu verklagen, was sie kriegen konnte – das Haus, seine Pension, seinen kostbaren Mercedes.
Nur dass sie keins von all diesen Dingen wollte. Sie wollte nur ihren Mann zurück.
Warum?
Weil sie es gewöhnt war, ihn um sich zu haben? Weil ihr die Vorstellung, eine allein erziehende Mutter, eine namenlose Zahl in einer Statistik zu werden und Nacht für Nacht alleine zu schlafen, nicht gefiel? Weil sie Angst davor hatte, alleine alt zu werden? War es einer dieser Gründe oder alle zusammen?
Oder wollte sie ihn zurückhaben, damit sie es dieses Mal richtig machen konnte, damit sie diejenige sein konnte, die ihn verließ, wie sie es vor Jahren hätte tun sollen, als sie noch atemberaubend schön gewesen war und noch einen Funken Selbstvertrauen besessen hatte? Wann war sie zum letzten Mal stolz auf irgendetwas gewesen? Außer auf Tracey natürlich. Sie war das Einzige, was sie in ihrem Leben richtig gemacht hatte. Wenn sie vielleicht weitere Kinder hätte bekommen, ihm einen Sohn hätte schenken können...
»Was sollen wir Tracey sagen?«, fragte sie mit tonloser Stimme.
»Dass wir sie lieben«, sagte Ron und klang viel zu reif für einen Mann, der sie wegen eines Mädchens verließ, das halb so alt war wie er. »Und dass mein Auszug daran nichts ändert. Nur weil ihre Eltern es nicht geschafft haben –«
»Weil ihr Vater seinen Schwanz nicht in der Hose behalten kann!«
Rons Gesicht lief vor Wut rot an, während er sich hektisch nach den umliegenden Tischen umsah. Irgendwo in der Nähe kicherte eine Frau nervös. Ron nahm die Serviette von seinem Schoß, warf sie über seinen Salat und stand auf. »Vielleicht war das doch keine so gute Idee.«
»Nein. Bitte. Entschuldige mich.« Barbara sprang auf und rannte zu den Toiletten an der gegenüberliegenden Seite des Restaurants. Sie stieß die schwere blaue Tür auf und spürte den Luftzug, als sie hinter ihr wieder zufiel. Sie lehnte sich dagegen und schnappte gierig nach Luft, als würde sie ertrinken. Gar keine schlechte Beschreibung, dachte sie mit einem manischen Kichern, während sie das Mosaik der dunkelblauen Wandfliesen betrachtete und den Wasserfall rauschen hörte, der als Waschbecken fungierte. »Das kann er nicht machen«, schluchzte sie und hörte ein verlegenes Hüsteln aus einer der Kabinen.
Aber er machte es trotzdem. Wie immer tat Ron Azinger genau das, was er wollte. Jawohl, Sir. Alles lief nach seinem Plan ab, und sie hatte keine andere Wahl, als ihr Leben weiterzuleben. Sie musste stark sein, wenn schon nicht für sich, dann wenigstens für Tracey. Außerdem war sie schließlich nicht unattraktiv. Es gab noch jede Menge anderer Fische im Meer. »Fische im Meer«, wiederholte sie laut und kicherte erneut hysterisch los. »Passend zum Motiv des Tages.« Sie lachte wieder.
Eine Spülung rauschte, doch niemand verließ eine Kabine. Wahrscheinlich mache ich ihr Angst, dachte Barbara, straffte die Schultern, zog den Bauch ein und drückte ihre eindrucksvoll vergrößerte Brust raus. Als sie wieder an ihren Tisch kam, stellte sie kaum überrascht fest, dass Ron bereits gegangen war.
»Der Herr hat sich um die Rechnung gekümmert«, informierte der Kellner sie.
Barbara lächelte und fragte sich, wann genau ihr ihr eigenes Leben entglitten war. Sie hatte sich nur mal kurz umgedreht,
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