Nur Wenn Du Mich Liebst
ja, als ob ich neidisch auf ein Alien wäre.«
Doch Whitney ließ sich nie provozieren. Sie zuckte bloß die Achseln und ging weg, was Ariel nur noch wütender machte.
»Ein fetter und hässlicher Alien«, rief Ariel ihr nach, doch Whitney drehte sich niemals um.
»Ariel, Schatz«, rief Susan vor dem Zimmer ihrer älteren Tochter, »Zeit zum Aufstehen.« An der Tür hing ein mit einem Heftpflaster befestigter Zettel, auf dem in Druckschrift geschrieben stand: PRIVAT! ZUTRITT VERBOTEN! FÜR ALIENS STRENGSTENS UNTERSAGT! Susan klopfte erst sanft, dann noch einmal lauter, sodass ihre Tochter, begraben unter einem Berg rosafarbener Decken und von laut dröhnender Rockmusik berieselt, sie vielleicht hörte. »Wem versuche ich eigentlich etwas vorzumachen?«, fragte Susan sich, öffnete die Tür und bahnte sich einen Weg zwischen den auf dem Fußboden verstreuten Kleidern. Als sie das Bett erreicht hatte, zog sie die Decke von Ariels Schultern und das Kopfkissen von ihrem Kopf, beugte sich vor und küsste ihre Tochter auf die vom Schlaf noch warme Wange. »Aufwachen, Schätzchen.«
Ohne die Augen zu öffnen, streckte Ariel die Hand aus, entriss ihrer Mutter das Kissen und hielt es sich wieder über den Kopf.
»Komm schon, Süße. Hilf mir ein bisschen. Ich bin spät dran, und wir müssen spätestens um Viertel vor neun hier los.«
»Wen kümmert es schon, wenn wir zehn Minuten zu spät kommen?«, kam die gedämpfte Antwort.
»Mich. Wenn wir zu spät in der Schule sind, komme ich zu spät zur Arbeit und...«
Sie hielt inne. Warum rechtfertigte sie sich gegenüber einer Dreizehnjährigen, der ihre Erklärungen offensichtlich völlig egal waren? »Steh einfach auf«, sagte Susan und ging aus dem Zimmer.
»Hallo, Mami«, begrüßte Whitney sie fröhlich, als sie, in ein Handtuch gewickelt, aus dem Bad kam.
Susan hatte es gern, wenn sie Mami genannt wurde. Allein der Klang des Wortes erfüllte sie mit Stolz und Freude. In ein oder zwei Jahren würde Whitney zu dem weniger kindlichen Mom oder dem gefürchteten Mutter übergehen, wie Ariel sie seit neuestem nannte. Sie betrauerte den Verlust schon jetzt. »Hallo, schönes Mädchen«, sagte sie.
»Sie ist nicht schön, sie ist ein Alien«, tönte es aus dem anderen Zimmer.
Erstaunlich, was Ariel hören beziehungsweise nicht hören konnte, dachte Susan, als sie Whitney liebevoll in die Arme nahm und die feuchte Haut des Kindes an ihrer Wange spürte.
»Mach meine Tür zu«, bellte Ariel. »Irgendwas da draußen stinkt.«
»Steh auf und mach sie selbst zu«, rief Susan zurück, während Whitney in ihrem Zimmer verschwand, um sich anzuziehen. »Zwei Mädchen im selben Haus«, murmelte Susan, als sie ihr vom Schlafzimmer abgehendes Bad betrat, »von denselben Eltern mit denselben Wertmaßstäben erzogen, wie können die nur so verschieden sein?« Als sie unter den heißen Wasserstrahl ihrer Dusche stieg, brummte sie wie so oft vor sich hin. »Lass sie bloß aufgestanden sein, wenn ich fertig bin.«
Aber Ariel war natürlich nicht aufgestanden, und nachdem Susan sie schließlich doch dazu überredet hatte, konnte sie sich erst nicht entscheiden, was sie anziehen wollte, dann nicht, was sie zum Frühstück essen wollte, sodass sie logischerweise zu spät zur Schule kamen, weshalb Mrs. Keillor ihren Vortrag zuerst halten durfte. Susan musste sich die unglaublich langweilige und detaillierte Schilderung des Arbeitsalltags einer Dentalhygieneassistentin anhören. Sie betete, dass wenigstens die anschließende Fragestunde nicht allzu lang ausfallen würde – die Frau musste doch so ziemlich jeden Aspekt ihrer Arbeit abgedeckt haben –, doch das Ganze zog sich dann doch noch endlos hin, nicht zuletzt wegen Ariels plötzlichen und unerklärlichen Interesses für das Thema. Sie stellte Frage auf Frage über längst Erörtertes, doch Mrs. Keillor ging, von so viel Aufmerksamkeit sichtlich geschmeichelt, mit Ariel noch einmal alles geduldig durch.
Das macht sie absichtlich, erkannte Susan und strengte sich an, sich ihre Ungeduld und ihren Unwillen nicht anmerken zu lassen. Sie weiß, wie sehr ich es hasse, unpünktlich zu sein, und sie weiß, dass ich wegen all ihrer Fragen zu spät zur Arbeit kommen werde. Sie hasst es, dass ich arbeiten gehe, so wie sie es gehasst hat, dass ich studiert habe. Ist sie nicht jedes Mal am Abend vor einer wichtigen Klausur krank geworden? Hat sie nicht immer besonders viel Aufmerksamkeit eingefordert, wenn ich eine große Hausarbeit abgeben
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