Nur Wenn Du Mich Liebst
ermahnt, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
Barbara hatte diese Empfehlung ignoriert, sie war wochenlang noch beinahe täglich nach Batavia gefahren und hatte in der Hoffnung, Chris zumindest zu Gesicht zu bekommen, vor dem kleinen braunen Holzbungalow geparkt. Doch hinter den permanent zugezogenen Vorhängen war kein Zeichen von Leben auszumachen. Als Barbara einen Monat später erneut vor dem Haus parkte, stand die Tür offen, und das Haus war verlassen. Chris war weg.
Weitere Versuche, sie aufzuspüren, gab es nicht. »Wir können nichts machen«, sagten die Frauen in den folgenden Jahren abwechselnd immer wieder, obwohl Barbara nicht wirklich daran glaubte, genauso wenig wie die beiden anderen, vermutete sie. Im Laufe der Zeit härteten ihre unausgesprochenen Schuldgefühle aus wie eine Schicht schützender Lack. Wenn sie sich begrüßten, küssten sie sich nicht mehr auf die Wangen, sondern in die Luft. Und wenn sie sich umarmten, hielten sie trotzdem Abstand.
Ohne Chris waren die Grandes Dames nicht mehr so grandios.
Barbara erreichte den Fitnessraum am Ende des langen Flures und sah Susan auf einem der sechs Laufbänder rackern, während Vicki sich auf einem der drei Stepmaster abmühte. Das kann nicht gesund sein, dachte Barbara, als sie mit der Schulter die Glastür aufdrückte und ihr sofort eine Hitzewelle entgegenschlug.
»Da ist sie!«, rief Vicki. »Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst.«
»Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagte Susan mit einem leichten Tadel.
»Tut mir Leid. Ich habe die Zeit komplett vergessen.« Barbara stellte ihre Tüten ab, schlüpfte aus ihrem Mantel und präsentierte ein neu erworbenes, blau-schwarz gestreiftes Lycra-Outfit. Dabei fiel ihr ein, dass sie ihre Turnschuhe vergessen hatte.
»Das ist ein schickes Outfit«, meinte Susan, die selbst eine weite graue Jogginghose und ein formloses weißes T-Shirt trug. Ihr kinnlanges braunes Haar war schweißnass. »Wann hast du denn das gekauft?«
»Heute Morgen.«
Susan schüttelte den Kopf, sodass mehrere große Schweißtropfen auf ihre Stirn und von dort weiter auf ihre Nasenspitze kullerten. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ein gewisser College-Professor nicht sehr glücklich sein wird.« Die Schweißtropfen fielen auf ihre Oberlippe und blieben dort hängen.
»Wenn er sich das nächste Mal scheiden lässt, sollte er vorher das Kleingedruckte lesen«, sagte Vicki, hüpfte von dem Stepper und drückte auf dem Weg zu den Hanteln in der Mitte des Raumes kurz Barbaras Arm. Sie trug schwarze Shorts und ein passendes T-Shirt mit einem
Body by Design
-Logo über der linken Brust.
»Sie ist wieder schwanger«, verkündete Barbara, und die Worte hallten in ihrem Kopf wider, bis ihr schwindelig wurde.
»Was?«
»Wer?«
»Der räudige Ron und die pickelige Pammy«, antwortete Barbara und stützte sich auf einer Bank ab. »Sie erwarten im Juni ein weiteres Baby. Ist das zu fassen? Sie gibt dem kleinen Kotzbrocken Brandon noch die Brust, verdammt noch mal.«
»Wann hast du es erfahren?«
»Tracey hat heute Morgen gleich als Erstes von Ron aus angerufen.«
»Wie nimmt sie es auf?«
»Erstaunlich gut«, ließ Barbara verlauten. »Ihr kennt ja Tracey. Sie bringt nichts aus der Fassung.«
»Und was ist mit dir?« Susan schaltete die Geschwindigkeit ihres Laufbands herunter und sah Barbara besorgt an.
»So weit ganz gut«, meinte Barbara achselzuckend, obwohl sie sich in Wahrheit alles andere als gut fühlte. Sie hatte seit Wochen nicht vernünftig geschlafen, und die Wochenenden, die Tracey bei Ron verbrachte, waren besonders schlimm. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass Tracey im Bett neben ihr schlief. Die Neuigkeit von Pams Schwangerschaft hatte sie mit der Wucht einer 5-Kilo-Hantel getroffen. Das Geld ihres Exmannes auszugeben war nur ein schwacher Trost gewesen, und selbst das Wissen, dass vermutlich ihre ehemalige Schwiegermutter die Rechnungen bezahlte, hatte ihr nur momentane Befriedigung gebracht.
Ich habe ein Riesenchaos angerichtet, dachte Barbara, weil sie wusste, wie wütend Ron über ihre fortgesetzte Extravaganz sein würde. Hatte er nicht schon damit gedroht, noch einmal vor Gericht zu ziehen, wenn sie nicht anfing, ihre Ausgaben zu kontrollieren? Was versuchte sie zu erreichen? Wusste sie nicht, dass er zurückschlagen konnte, wenn sie ihn dazu zwang?
Barbara versuchte beim Umdrehen ihr Bild in der Spiegelwand zu ignorieren. Was gab es schon groß zu sehen außer einer jämmerlichen,
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