Nur Wenn Du Mich Liebst
nicht mehr jungen Frau in einem blöden blau-schwarzen Lycra-Dress, dessen Querstreifen nur ihre breiter werdenden Hüften betonten. Was machte sie hier überhaupt? Das Training würde ihr garantiert nicht helfen. Gar nichts konnte ihr helfen.
»Hast du das über Kevin gehört?«, fragte Vicki.
»Kevin?«, wiederholte Susan, während Barbaras Herz für einen Schlag aussetzte.
Gütiger Gott, dachte sie. Er hat Aids. Ich bin tot.
»Mein Trainer«, sagte Vicki. »
Unser
Trainer«, verbesserte sie sich und wies mit einer Hantel in Barbaras Richtung. »Unser Extrainer, sollte ich wohl besser sagen.«
»Ist er tot?«, keuchte Barbara.
»Tot! Nein, er ist bloß gefeuert worden. Wie kommst du um Himmels willen auf die Idee, dass er tot ist?«
»Warum ist er denn gefeuert worden?«, fragte Barbara um Fassung bemüht, ohne auf Vickis Frage einzugehen.
»Offenbar hat er mit der Hälfte seiner Kundinnen geschlafen. Die Geschäftsführung hat Wind davon bekommen und seinen knackigen kleinen Arsch vor die Tür gesetzt.«
»Hast du?«, fragte Barbara, entsetzt von der Vorstellung, dass sie seinen knackigen Arsch mit ihrer Freundin geteilt haben könnte.
»Habe ich was? Mit Kevin geschlafen? Das soll wohl ein Witz sein. Ich achte darauf, nie mit jemandem ins Bett zu gehen, der hübscher ist als ich. Hast du?«
»Was? Natürlich nicht.«
»Schade an sich«, sagte Vicki, legte die 5-Kilo-Hantel wieder auf den Ständer und nahm zwei 2,5-Kilo-Gewichte, die sie abwechselnd über ihren Kopf zu heben begann. »Dich muss ich vermutlich gar nicht erst fragen«, sagte sie mit einem Blick zu Susan, die als Antwort nur übertrieben die Augen verdrehte. »Dachte ich mir schon. Wie dem auch sei, ich fürchte, ich muss mein Programm heute abkürzen. Um zwei Uhr erwarte ich einen Mandanten.«
»Heute ist Samstag«, erinnerte Susan sie.
»Ein Werktag«, erwiderte Vicky. »Wie wär's mit Mittagessen am Freitag? Ich habe in meinem Kalender nachgesehen und festgestellt, dass ich tatsächlich eine ganze Stunde freihabe.«
»Geht nicht«, sagte Susan. »Am Freitag gehe ich mit meinem Chef essen.«
»Klingt ja interessant. Wie ist er überhaupt?«
»Sehr nett. Sehr intelligent.«
»Sehr schnuckelig, habe ich gehört.«
»Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
Nun war es an Vicki, ihre Augen zu verdrehen. »Mein Gott, Susan, du bist wirklich langweilig. Oder nicht, Barbara?«
Barbara zuckte die Achseln und wartete darauf, dass Vicki ihre Einladung ihr gegenüber wiederholen würde, doch die stemmte nur schweigend weiter ihre Gewichte, und das Mittagessen am Freitag wurde mit keinem weiteren Wort mehr erwähnt.
»Okay, ich muss los. Wir reden ein anderes Mal«, verkündete Vicki wenige Minuten später, ließ die Gewichte fallen, sammelte ihre Sachen zusammen und verließ Kusshändchen werfend in einer Folge von abrupten Bewegungen den Raum, sodass sie aussah wie eine verwackelte Fotografie.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ganz aus meinem Leben verschwunden ist, dachte Barbara, als sie die Tür hinter ihr zufallen sah. Zuerst hatte Chris sie verlassen, dann Ron. Jetzt rückten Susan und Vicki enger zusammen, teilten Zeit und Vertrauen und ließen sie zunehmend in der Kälte stehen. Verdammt noch mal, sogar Kevins knackiger kleiner Arsch war weg. Wie lange würde es dauern, bis Tracey entschied, dass sie lieber bei ihrem Vater leben wollte? Wie lange, bis sie niemanden mehr hatte?
»Barbara?«
Susan stieg von dem Laufband und machte ein paar Schritte auf sie zu.
»Barbara, was ist los?«
»Was los ist? Wie meinst du das?«
»Ich rede seit zwei Minuten mit dir, und du hast kein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe, oder?«
»Tut mir Leid.«
»Alles in Ordnung?«
»Klar. Warum? Gibt es ein Problem?«
»Das sollst du mir sagen. Du stehst einfach da, mitten im Raum und hast dich, seit du deinen Mantel ausgezogen hast, nicht mehr bewegt.«
Barbara schluckte gegen die Tränen an, die ihr überraschend in die Augen schossen. »Ich glaube, mir ist heute nicht so richtig nach Training.«
»Wonach ist dir denn?«
»Graeter's Eis«, antwortete Barbara leise und wartete auf Susans milden Tadel.
Doch Susan lachte. »Klingt herrlich.«
»Bist du dabei?«
»Ich kann nicht«, entschuldigte Susan sich. »Owen holt mich in einer halben Stunde ab. Wir wollen meine Mutter besuchen.«
Sofort hatte Barbara ein schlechtes Gewissen, weil sie sich nicht nach Susans Mutter erkundigt hatte, die nach einer Operation im Krankenhaus
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