Nuramon
suchen? Es war, als mischten sich seine Erinnerungen vom Schlachtfeld mit denen an Jasbor und seine Familie.
Borugars Schrei ließ Nuramon herumfahren. Sein Blick fiel auf Daoramu. Sie lag am Boden. Nerimee saß über sie gebeugt und hatte ihr die Hände an den Kopf gelegt. Schwankend kniete Nuramon sich neben Nerimee zu Daoramu hin.
»Sie atmet nicht, Vater«, erklärte Nerimee.
Nuramon antwortete nicht, sondern umfasste Daoramus Hände und ließ seine Heilkräfte fließen. Der magische Sog kam wie die Welle einer Sturmflut über ihn, und im nächsten Augenblick wusste er nicht mehr, ob er noch zauberte oder der Zauber ihn bereits leergesogen hatte.
Nuramon spürte eine magische Präsenz in seinem Rücken und löste die Hände von Daoramu. Er sprang auf und fuhr herum. Keine fünf Schritt von ihm entfernt stand ein dritter Vermummter. Noch ehe auch dieser seine Hand heben konnte, schoss Nuramon ihm einen Flammenzauber entgegen, sprang vor und zog sein Schwert.
Der Fremde duckte sich, wirbelte mit den Händen und verschwand vor Nuramons Augen, doch die Klinge, die Nuramon herabfahren ließ, traf ihr Ziel. Ein Schrei drang aus der Luft, und als deckte jemand einen Vorhang auf, erschien der Mann wieder. Er lag am Boden. Nura mons Klinge hatte ihm den Hals aufgeschnitten. Der Fremde röchelte etwas Unverständliches, dann fiel sein Kopf zurück.
Nylma kam mit ihren Kriegern näher. Sie stützte Yargir, der sein Bein nachzog. Gaerigar war auch da, und sie alle zogen den Ring um die Fürstenfamilie enger. An Gaerigars Seite kehrte Nuramon zu Daoramu zurück.
»Sie atmet wieder«, sagte Nerimee.
Nuramon nickte. Vor seinen Augen verschwamm alles, seine Beine gaben nach, und er verstand nur eines mit absoluter Klarheit: Der Zauber, der Daoramu niedergestreckt hatte, hatte ihm gegolten. Er hatte ihn aber nur gestreift, und doch nagte er an seinen Kräften wie ein Gift.
»Da ist noch einer!«, rief Waragir, und Borugar brüllte: »Zurück in den Palast!«
Dann verschwamm das Geschrei, und um Nuramon wurde es still.
Nerimee wich nicht von der Seite ihrer Eltern, beobachtete jedoch, wie Waragir, Bjoremul und ein halbes Dutzend ihrer Krieger einer Blutspur folgten. Es war die Fährte eines Unsichtbaren. Sie hörte, wie ihr Großvater den Namen ihres Bruders rief, doch Gaerigar war nicht zu halten und setzte sich an die Spitze der Krieger. Er stürmte dem Fremden nach, der nur als schwaches Flimmern in der Luft zu erkennen war und dem Fischerhafen entgegenstrebte.
»Helgura! Folge Gaerigar!«, rief Nerimee ihrer Leibwächterin zu. »Pass auf ihn auf!« Die Kriegerin zögerte. Nerimee wusste, dass Helgura außerhalb des Palastes nur ungern von ihrer Seite wich. Doch schließlich nickte sie und lief los.
Mit der Fürstengarde als Schutzwall trugen die Ilvaru Nuramon und Daoramu auf der Fürstenstraße gen Norden. Jaswyra schritt neben Dyra einher, sie trösteten Yendred und Lyasani. Borugar war an Nerimees Seite und fragte, ob noch Hoffnung blieb. Nerimee wusste es nicht. Sie prüfte immer wieder die Lebenszeichen ihrer Eltern. Bei ihrem Vater spürte sie, dass seine Magie sich gegen die fremde Macht aufbäumte; ihrer Mutter jedoch schwanden die Lebenskräfte, und Nerimee musste ihre Hand halten und einen Heilzauber wirken, während die Krieger sie vorantrugen. Sie wusste nicht, wie lange sie den Zauber aufrechterhalten konnte. Im Palast könnte sie sich der Macht eines der magischen Quellsteine bedienen. Doch ob ihre Eltern den Weg in die Oberstadt überhaupt überleben würden, wusste sie nicht.
Nuramon träumte von seiner Suche nach Noroelle. Er war auf den Albenpfaden, und sie war so weit entfernt, doch er war bereit, jeden Weg zurückzulegen, um sie zu finden. Dann aber merkte er, dass er gar nicht nach Noroelle suchte, sondern nach Daoramu.
»Wach auf«, sagte eine vertraute Stimme.
»Ceren?«, flüsterte er.
»Du darfst jetzt noch nicht sterben.«
»Ich bin zu schwach. Dieses Gift raubt mir alles.«
»Das Gift ist das Werk eines fähigen Zauberers. Du darfst jetzt nicht nachgeben, sonst stirbst du, und deine Frau ist verloren.«
Nuramon stemmte sich gegen den fremden Zauber, und die Schmerzen schienen ihm die Haut vom Fleisch zu reißen. Er schrie auf und schrie noch einmal. Schließlich hörte er die eigene Stimme weit entfernt, und er bewegte sich. Er wollte zu seiner eigenen Stimme gelangen. Sie wurde lauter und lauter, und als er die Augen aufschlug, blickte er in Nerimees Gesicht.
»Den Ahnen sei
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