Nuramon
den Fuß der Klippe und die Straße bis zum Marktplatz entlang, und es wäre vorüber.
Heftiges Peitschen erhob sich hinter ihm. Seine Verfolger schlugen mit Ruten auf ihre Tiere ein, um das Letzte aus ihnen herauszuholen. Tatsächlich kamen sie näher, aber Gaerigar wollte Lyrma nicht quälen. Er wollte dieses Rennen gewinnen, aber nicht um jeden Preis.
Als sie die Klippenstraße kreuzten, waren seine Verfolger fast bei ihm. Und es war ihm gleichgültig.
Nuramon starrte gebannt die Straße entlang. Da kam der erste Reiter, und es war – Gaerigar. »Er ist vorn«, sagte Nuramon und stieß Daoramu leicht mit dem Ellenbogen an. Nach wie vor fiel es ihm schwer, seine Freude angemessen zu offenbaren, aber dafür jubelten Nerimee, Waragir und Yendred umso lauter.
Gaerigar blieb an der Spitze und ritt als Erster auf den Marktplatz, dicht gefolgt von seinen Rivalen. Die Pferde waren noch nicht einmal zum Stehen gekommen, da brach das Chaos los. Die Zuschauer drängten ihren Helden entgegen. Es war ein Fluch für Nylma, die unten auf dem Platz war und sich bemühte, rasch bei Gaerigar zu sein.
Für die Jasborer hätte es der Beginn eines Freudenfestes sein sollen. Doch da geschah es: Wie aus dem Nichts in die Welt getreten, stand ein vermummter Mann am Fuße der Tribüne – im Rücken der Wachen. Er hob die Hand, und Nuramon spürte die Magie durch die Luft wirbeln. Der Fremde starrte ihm genau entgegen.
Yargir und zwei seiner Gardisten waren schon auf dem Weg zu dem Mann. Der Fremde trug ein Kurzschwert am Gürtel, aber seine Hände waren zu weit davon entfernt, als dass er es hätte ziehen können, ehe Yargir bei ihm war. Ein vorbereiteter Zauber hingegen bedurfte nur einer letzten Geste.
Daoramu spürte, wie Nuramon erstarrte. Unwillig wandte sie ihren Blick von ihrem Sohn ab, der auf dem Platz von jubelnden Menschen gefeiert wurde. Sie entdeckte Yargir, der mit zwei Kriegern auf einen vermummten Mann loslief, der irgendwie die Wachen hinter sich gelassen hatte. Er hob die Hände, als wollte er zeigen, dass er un bewaffnet war. Da packte Nuramon sie und riss sie hinter sich. Neben Daoramu stellte sich Nerimee schützend vor Yendred und gab ihrer Leibwächterin Helgura einen Wink.
Noch ehe Daoramu etwas sagen konnte, blitzte es, und sie kniff die Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, wanden sich Yargir, seine Krieger und einige Stadtgardisten vor Schmerzen am Boden. Der vermummte Mann aber hob erneut die Hände.
Nuramon ballte die Fäuste. Gleich würde er zaubern, gleich würde er diesem Angreifer, der über magische Kräfte verfügte, gewiss seine Macht entgegenschleudern. Doch Helgura kam Nuramon zuvor. Die Leibwächterin, mit der Nerimee im Kerker ihrer Entführer gelitten hatte, warf ihren Speer und traf den fremden Mann in der Brust.
Starr vor Schreck beobachtete Daoramu, wie sich ein Flackern in der Luft langsam die Tribüne heraufschob und schließlich verharrte. An jener Stelle erschien ein mit einem Schal vermummter Mann wie jemand, der hinter einem klaren Wasserfall hervortrat. »Da!«, rief Daoramu.
Nuramon folgte ihrem Fingerzeig mit dem Blick. Doch da schoss ihnen bereits ein Blitz entgegen, drang zwischen sie und riss Nuramon von ihr fort. Er fiel zu Boden, sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, und sein Körper zuckte.
Überall waren Schreie. Ein Zischen von der Seite, und etwas Feuchtes traf sie und schlug sie zu Boden. Sie schaute die Wand des alten Hauses ihrer Familie hinauf, am Dach vorüber zum Himmel. Schatten beugten sich über sie. »Mutter!«, hörte sie Yendred und Nerimee wieder und wieder rufen. Und ihr Vater brüllte vor Verzweiflung. Es war ihr, als versänke sie in einem tiefen Brunnenloch, bis das Tageslicht nichts weiter als ein Lichtfleck war. Dann rauschten die Stimmen nur noch, und das Letzte, das sie von der Welt gewahrte, war ihre eigene Stimme. »Nuramon?«, flüsterte sie und fürchtete sich vor dem, was in der Tiefe lauern mochte.
Nuramon hörte seine Kinder schreien. Auch Borugar rief immer wieder ein und denselben Namen: »Daoramu!« Er zwang sich auf die Beine, geriet ins Schwanken und torkelte an Dyra vorbei, die sich schützend über Lyasani beugte. Er sah Bjoremul und Waragir, die Seite an Seite einen mit Kurzschwertern bewaffneten Mann zurücktrieben.
Nuramon wusste nicht, warum er hier war und was geschehen war. Hatte sein Sohn nicht gerade erst ein Pferderennen gewonnen? Wie war er in die Schlacht geraten? Und was hatten Yendred und Lyasani hier zu
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